Oh... mein... Gott...
Da sind wieder ein paar Stammtisch-Juristen unterwegs.
Nix für Ungut, aber leider ist es häufig so, dass Dinge, die man selbst als "Recht" empfindet, oder auch regelmäßig erfährt, nicht "Recht" sind.
Ich möchte das gar nicht groß ausführen, die Sache ist eigentlich ganz einfach.
Aber einem möchte ich doch zunächst heftig widersprechen, weil es schlicht Unsinn ist und - würde es so stimmen - an den Grundfesten unseres Rechtssystems rütteln würde.
Londo Molari wrote:für ein gericht ist das eher eine frage der kosten - und ein verfahren zu eröffnen wegen 40 euro wird sich kein gericht antun - da die verfahrenskosten schon höher sind als der streitwert.
Nein, nein und nein.
Es gibt durchaus Fälle, warum ein Gericht eine Klage ablehnen kann. Das sind:
- Das Gericht ist örtlich nicht zuständig
Beispiel: Ich wohne z.B. in München und bin mit meinem Nachbarn in Streit. Reiche ich nun entsprechende Klage beim Amtsgericht Berlin ein, würde diese wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen werden.
- Das Gericht ist sachlich nicht zuständig
Beispiel: Ich wurde z.B. von meinem Arbeitgeber gekündigt und möchte dagegen klagen. Ich reiche die entsprechende Klage beim Strafgericht ein. Das Gericht würde die Klage wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit ablehnen.
- Die Klage ist unzulässig
Beispiel: Ich kaufe eine Kaffeemaschine und diese geht nach zwei Wochen kaputt. Weil ich aber ein kleiner Depp bin, warte ich 10 Jahre, bis ich meine Ansprüche aus Gewährleistung per Klage durchsetzen will. Auch wenn ich das "richtige Gericht" am richtigen Ort wähle, würde die Klage wegen Unzulässigkeit (Fristüberschreitung) abgewiesen werden.
Das war es schon. KEIN GERICHT, KEIN RICHTER hat die Möglichkeit eine Klage abzuweisen, weil ihm ihr Inhalt nicht gefällt oder er denkt der Streitwert sei zu gering!
Pinzipiell steht der Rechtsweg jedem offen, ungeachtet von Ding oder Wert. DAS MUSS AUCH SO SEIN; DAS IST EIN WESENTLICHER BESTANDTEIL UNSERES RECHTSSYSTEMS ! ! ! !
Würde ein Richter eine Klage ablehnen, weil er den Streitwert für zu gering erachtet, so wäre dies schlimmste Rechtsbeugung.
Also bitte, Bitte, BITTE keinen solchen Unsinn schreiben
Nun zum eigntlichen Problem, aber nur ganz kurz, weil es einfach müßig ist ein und dieselbe Sache immer und immer wieder zu wiederholen.
Also:
Frage 1: Was ist es eigentlich, wenn ich mir ein (Software-)Spiel kaufe?
Nach der Schuldrechtsreform von 2001 ist der Kauf von Standardsoftware der Kauf eines "sonstigen Gegenstandes" und unterliegt damit den Vorschriften des Kaufvertrages.
Ich erwerbe dabei jedoch NICHT das Eigentum an der Software, sondern nur das Eigentum an den dinglichen Gegenständen des Kaufes (Verpackung, Datenträger, Papier des Handbuches usw.), sowie das Nutzungsrecht an der Software.
Art und Umfang dieses Nutzungsrechtes sind nach dem UrhG (Urheberrechtsgesetz) geregelt und können durch Lizenzverträge erweitert werden.
Akzeptiert der Käufer den Lizenzvertrag, z.B. durch Installation, so ist er für beide Seiten bindend.
Frage 2: Was, wenn der Lizenzvertrag IN der Packung ist?
Habe ich vor dem Kauf keine Möglichkeit den Lizenzvertrag einzusehen, kann er auch nicht Bestandteil des (Kauf-)Vertrages werden.
Über die Frage, ob derartige Lizenzverträge damit komplett ungültig sind, gibt es meines Wissens noch keine höchstrichterliche Entscheidung.
Die TENDENZ geht dahin, dass sie es nicht sind.
In dem Falle stellt der "Inbox" Lizenzvertrag ein weiteres Angebot des Lizenzgebers an den Lizenznehmer dar, das der Kunde annehmen oder ablehnen kann.
Lehnt er es ab, ist er zur Rückabwicklung des Kaufs berechtigt UND VERPFLICHTET. Ein "Ich lehne den Lizenzvertrag ab, nutze das Produkt aber dennoch" gibt es nicht. Nimmt er ihn an, ist er bindend.
Frage 3: Irgendwas passt nicht. Gegen wen habe ich Ansprüche?
Ansprüche erwachsen immer nur zwischen Vertragspartnern. Also muss man erstmal rausfinden, wer eigentlich die Vertragspartner sind.
Gucken wir uns mal die Antwort auf Frage 1 an, so stellt man fest, dass es sich bei dem Kauf von Standardsoftware um einen schlichten Kaufvertrag handelt.
Vertragspartner sind damit (ABSCHLIEßEND!) Käufer (=ich) und Verkäufer (=z.B. der Händler, bei dem ich gekauft habe). Andere Vertragspartner gibt es für MICH (also für den Käufer) NICHT.
Damit kann und muss ich also Ansprüche, welcher Art auch immer an den Verkäufer richten.
Da ich KEINEN ANDEREN Vertragspartner habe (z.B. auch nicht den Hersteller oder Vertreiber), kann ich auch keinerlei Ansprüche an diese stellen.
Natürlich kann z.B. der Händler dann seinerseits Ansprüche an seinen Vorlieferanten stellen und der dann ggf. an den Vertreiber und der dann ggf. an den Hersteller. Aber jeder immer nur an SEINEN Vertragspartner. MEIN (Käufer) Vertragspartner ist nur der Händler (Verkäufer), NICHT der Hersteller, der Vertreiber, der Vorlieferant usw.
Frage 4: Welche Ansprüche habe ich denn nun, wenn etwas nicht stimmt? (§437 BGB)
Weist die Sache Mängel auf, die ihre Funktionstüchtigkeit nicht nur unerheblich beeinträchtigen oder enthält sie nicht die zugesicherten Eigenschaften so kann ich
gegen den Verkäufer (=mein Vertragspartner) folgende Ansprüche geltend machen:
- Wandelung = Ich gebe die Sache zurück und bekomme mein Geld wieder.
- Minderung = Ich gebe die Sache nicht zurück, aber bekomme einen Wertersatz für den Mangel. Also z.B. das Spiel 5 Euro billiger.
- Nacherfüllung = Der Vertragspartner (=Händler) versucht den Mangel zu beseitigen.
ABER: Der Nachbesserungsanspruch kann vom Verkäufer zurückgewiesen werden (!!!), wenn eine Beseitigung des Mangels unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würde (§439 III BGB).
Da "unser Vertragspartner" ja ausschließlich der Händler ist und dieser bei Standardsoftware ganz sicher keinen Zugriff auf den Quelltext der Software hat, bedeutet das für UNSEREN VERTRAGSPARTNER immer eine Unverhältnismäßigkeit. Damit ist die Nacherfüllung faktisch nicht existent.
Sprich, als Ansprüche bleiben für den Käufer: Wandelung und Minderung.
Frage 5: Kann ich denn nun irgendwas vom Hersteller fordern?
Kurze Antwort: Nein, nichts. Gar nichts.
Längere Anwort: Siehe Frage 3. Ansprüche kann ich immer nur gegen MEINEN Vertragspartner geltend machen. Das ist mein Verkäufer, Händler o.ä.. Mit dem Hersteller habe ich keinerlei Vertragsbeziehungen, also auch keinerlei Anspruchsgrundlage.
Frage 6: Wann hat eine Software Mängel? Was ist ein Mangel an einer Software?
Das wird jetzt zu komplex, als dass ich es in ein paar einfachen Worten ausdrücken könnte.
Als Anhaltspunkt vielleicht nur ein paar Kommentare zu ausgewählten Urteilen:
OLG Köln, Az. : 19 U 278/93. CR 1995, 16 : Kein Programm läuft hundertprozentig korrekt, jedes hat Tücken. So vertreten Gutachter vor
Gericht die Ansicht, daß ein Computerprogramm nie absolut fehlerfrei sein kann. Konsequenz: Mit systembedingten Problemen, die dem Stand der Technik entsprechen, muß der Kunde leben. Zum Beispiel, wenn eine Standardsoftware umständlich zu bedienen ist .
OLG Köln, Az.: 19 U 92/91. CR 93, 208 : Weil es keine perfekte Software gibt, kann es auch eine absolute Kompatibilität nicht geben, erklärte das Landgericht Köln einem Laptopbesitzer, dessen Rechner mehrere Programme nicht annahm.
Amtsgericht Ulm, Az.: 4 C 2823/93. CR 1 995, 407 : Wurde hingegen die IBM-Kompatibilität ausdrücklich zugesagt, und die Software streikt trotzdem, liegt ein wesentlicher Mangel vor. Das Vertragsrecht spricht hier von "zugesicherten Eigenschaften": Sie müssen eingehalten werden. Doch im Einzelfall ist oft strittig, was als zugesicherte Eigenschaft gilt.
OLG Düsseldorf, Az.: 6 U 119/92. NJW 1993, 3142 : Die allgemeine Werbeaussage, der PC sei auf dem neuesten technischen Stand oder die Software sei für PC oder Windows geeignet, ist jedenfalls keine zugesicherte Eigenschaft. Ebensowenig Werbeaussagen auf der Verpackung. Dazu gehören auch die "minimalen Systemanforderungen" (
OLG Köln, Az.: 19 U 92/91. CR 93, 208). Auch Packungssussagen wie "Viele Stunden Spielspaß" oder "Mit einer tiefgreifenden Storyline" sind keine zugesicherte Eigenschaft des Produktes. Es empfiehlt sich also, all die Eigenschaften, auf die der Kunde Wert legt, im Kaufvertrag schriftlich festzuhalten.
OLG Nürnberg, Az.: 3 U 2087/92. CR 1993, 359 : Eine zugesicherte Eigenschaft kann sich aber auch aus dem Zusammenhang ergeben.
So verurteilte das Oberlandesgericht Nürnberg einen Händler zur Rücknahme eines Standardprogramms, dessen Treiber nicht zum Computer des Kunden paßte.
Aber achtet auf die Begründung (!): "Der Verkäufer kannte die vorhandene Hardware detailiert und hätte deshalb das Problem voraussehen müssen". Daraus ergibt sich eine (etwas wirklichkeitsfremde) Konsequenz für den Softwarekäufer: Wer auf Nummer Sicher gehen will, benennt dem Händler präzise die eigene Rechnerkonfiguration und läßt sich die Kompatibilität schriftlich geben.
Hätte der Verkäufer die genaue Konfiguration NICHT gekannt -> Keine zugesicherte Eigenschaft !
So das war es. Ich hoffe ich konnte damit nun endgültig diese leidige Diskussion wer wo welche Ansprüche hat beenden.
Nochmal das Ganze in absoluter Kurzfassung:
-> Wenn jemand denkt, sein Spiel sei mangelhaft, hat er AUSSCHLIEßLICH Ansprüche gegenüber seinem Verkäufer. NICHT gegen den Vertreiber, NICHT gegen den Hersteller.
-> Als "Anspruch" kann er faktisch geltend machen: "Wandelung" (Geld zurück) oder "Minderung" (z.B. 5 Euro billiger). Einen ANSPRUCH auf "Nachbesserung" (Nacherfüllung) hat er faktisch nicht.
-> Der Hersteller (z.B. EGOSOFT) hat KEINE Verpflichtung gegenüber dem Kunden einen Patch oder sonst etwas zur Verfügung zu stellen.
-> (Spiele-)Software fällt NICHT unter das Produkthaftungsgesetz. Eine ALLGMEINE Produkthaftung gibt es in Deutschland nicht.
-> Ein "Recht auf Patch" gibt es nicht.
-> (Achtung, dass ist jetzt nur MEINE MEINUNG !!!!) -> X² hat weder allgemeingültige (also eindeutig und bei jedem Spieler reporduzierbare) Mängel, die die FUNKTIONSTÜCHTIGKEIT (nicht den "Spielspaß", der ist juristisch völlig uninteressant) wesentlich beeinträchtigen, noch fehlem ihm zugesicherte Eigenschaften. (Nochmal: Dieser Punkt ist nur meine Meinung. Der Rest nicht

)
Auch hier: bitte, Bitte, BITTE schreibt nicht immer so nen Unsinn
Vieles davon entspricht dem "natürlichen Rechtsempfinden". Das mag ja auch schön und gut sein, aber es hat leider viel zu häufig nichts mit der Realität (mit "dem Recht") zu tun.
Ich habe mir jetzt wirklich Mühe gegeben das alles hoffentlich verständlich zusammen zu tragen. Bitte akzeptiert halt einfach mal die Realität, ob sie einem persönlich nun gefällt oder nicht. Es gibt auch viele Dinge, die ich persönlich für "nicht richtig" empfinde, die aber Recht sind.
Ich werde zu diesem Thema jetzt nichts mehr sagen. Das war jetzt viel genug Arbeit. Liebe Grüße
JS