nachdem ich hier schon seit Freitag einigermaßen fasziniert still mitlese, und in vielen Beiträgen immer wieder die gleichen Argumente Pro & Kontra Rebirth lese, möchte ich mich als Quasi-Außenstehender Beobachter nun doch einmal zu Wort melden.
Ich habe vor etlichen Jahren für einige Zeit mal Reunion und dann Terran Conflict gespielt, konnte mich mit den Titeln aber nicht auf längere Zeit anfreunden. Ich habe die Entwicklung von Rebirth mit einigem Interesse verfolgt, und habe einige Hoffnungen gesetzt in die Aussagen, dass Rebirth ein "Neuanfang" werden würde, in dem man bestimmte Designprinizpien der vorherigen Spiele grundsätzlich überdenken würde (ohne dass mir zu dem Zeitpunkt klar war, in welche Richtung das dann gehen würde).
Ich habe in den vergangenen Jahren nun schon einige Release-Debakel erlebt (schlimmstes Erlebnis bisher: Silent Hunter 5). Die Forderungen der Käufer und die Reaktionen der Entwickler sind dabei fast immer die gleichen. Ich habe mit der Zeit auch eine gesunde Skepsis gegenüber Vorbestellungs- und "Collectors Edition"-Programmen entwickelt, und der Release von Rebirth hat mich mal wieder darin bestätigt. Da ich das Spiel also nicht besitze, kann ich hier auch relativ entspannt das Geschehen verfolgen.

Hier nun meine Anmerkungen dazu:
Es wird keine Entschuldigung geben.
Hier im Forum wird oft bemängelt, dass sich die Entwickler nicht ehrlich zu Wort melden, dass sie lediglich Bugfixes versprechen, dass sie nicht die Größe haben, sich für den Zustand des Spiels bei den Käufern zu entschuldigen.
Das ist aus der Sicht eines Käufers sehr gut nachvollziehbar, es wird aber nicht passieren. Es passiert in solchen Situationen nie. Und nicht, weil die Entwickler unbedingt arrogant wären, sondern aus einem ganz banalen Grund: Eine Entschuldigung oder ein Eingeständnis, dass das veröffentlichte Produkt schwere Fehler hat, hätte eventuell dramatische rechtliche Folgen, was Rückgaben, Schadenersatz etc. angeht. Kein Spieleentwickler kann es sich leisten, potentiell enttäuschten Kunden die Argumente zu liefern, ihr Geld zurückzubekommen. So etwas wie ein Schuldeingeständnis würde jetzt dazu führen, dass sich tausende Käufer genau darauf berufen und damit bei Steam ihr Geld zurückverlangen. Das wird nicht passieren.
Egosoft/Bernd ist nicht Euer Freund.
Und Ihr seid nicht ihre/seine Freunde, sondern Kunden und Käufer. Im Grunde folgt das direkt aus dem, was ich zur Entschuldigung geschrieben habe. Ein Spieleentwickler mag ja ein gutes Verhältnis zu seinen Fans haben, aber letzten Endes sind die Entwickler meistens Leute, die mit ihrem Produkt nun einmal auch Geld verdienen und ihre Familie ernähren möchten. Und da gibt es dann einen grundlegenden Interessenkonflikt, der sich oft nicht auflösen lassen wird. Was ich damit sagen will:
Immer wenn ein Entwickler das besondere Verhältnis, das er zu seinen Käufern hat, hervorhebt, ist meiner Meinung nach eine gewisse Grundskepsis äußerst ratsam. Die große Enttäuschung, die jetzt über Rebirth herrscht, kommt ja auch sehr stark daher, dass sich viele Fans jetzt regelrecht "verraten" fühlen, weil Egosoft ihrer Meinung nach bestimmte Grundkonstanten der Serie über Bord geworfen hat und damit seine "treusten Fans" enttäuscht hat.
Dazu kann ich nur sagen: Für die Bilanz einer Firma gibt es keine "treuen Fans", es gibt nur Käufer. Bernd hat ganz klar geschrieben, dass Rebirth ein großer Erfolg war. Er meint damit die Anzahl der verkauften Lizenzen. Das sollte eigentlich jedem klar machen: Ihr seid Egosoft nichts schuldig, und Egosoft ist Euch auch nichts schuldig. Ihr seid Kunden und Käufer, also verhaltet Euch auch so, dann gibt es am Ende wesentlich weniger Tränen für alle Beteiligten.
Vorbestellungen sind kein Loyalitätsbeweis, sondern Belohnung für unfertige Produkte.
-Diablo III
-Aliens: Colonial Marines
-Sim City
-Battlefield 4
-X: Rebirth
Merkt Ihr irgendwas? Lernt Ihr irgendwas daraus? Wenn ich mir bei Steam die Bestseller angucke, dann scheint niemand wirklich daraus zu lernen. Ich höre da immer nur im Kopf dieses *Ka-Tsching* einer Registrierkasse, und stelle mir vor, wie die Publisher gleich mal ihre ganzen Tester und Qualitätssicherer einsparen, weil die Kunden ja sowieso alles kaufen, noch vor dem ersten Test. Im Ernst: Warum soll ein Entwickler überhaupt Geld für Qualitätssicherung ausgeben, wenn die Käufer das so bereitwillig übernehmen? Hier im Forum wimmelt es von Beiträgen wie: "Lasst ihnen doch Zeit, das sind nur 20 Entwickler!", "So ein komplexes Spiel KANN gar nicht perfekt auf den Markt kommen", "Ihr wisst doch, dass X3 auch erst nach einem Jahr spielbar war!", "Andere sind doch noch viel schlimmer!", "Das hat Egosoft doch schon immer so gemacht!".
Natürlich hat Egosoft das schon immer so gemacht, natürlich tun es andere Entwickler auch. Und sie werden es weiterhin tun, weil Ihr sie dafür belohnt. Mit Vorbestellungen, die im Grunde nur Vorschussfinanzierung für Produkte sind, die Ihr dann zum Dank trotzdem unfertig bekommt und sie dann zum Dank auch noch monatelang testen dürft. Ihr lasst Euch von Egosoft und anderen Spielefirmen zu Alpha- und Betatestern machen, und Ihr zahlt auch noch Geld dafür! Jeder der in der heutigen Zeit noch Spiele vorbestellt ist letztlich mitverantwortlich, wenn das nächste Spiel dann wieder unfertig auf den Markt kommt. Also, lasst es bitte sein!
So, eigentlich wollte ich noch etwas zu Rebirth selbst schreiben, und den Design-Entscheidungen, die darin eingeflossen sind, aber da der Post sowieso schon sehr lang geworden sind, mach ich das vielleicht lieber in einem anderen Beitrag.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, ich hoffe auf rege Diskussion!
