
Kritik erwünscht

edit: jetzt die überarbeitete Version.
Kapitel 6: Das Duell
Stotty blies mit einem angespannten Geräusch die künstlichen Stirnfransen aus dem Gesicht. Unter der Maske schwitzte er wie eine paranidische Wildsau, die man in die rote Wüste von Antigone Memorial verschleppt hat. Das dichte Gedränge zwischen den gepolsterten Sitzen, der Geruch, der aus kaltem Schweiß und ein Gemisch aus zig verschienen Parfums entstanden ist, das Geschrei der kleinen Kinder und der die erdrückende Wärme, ließen ihn sehnsüchtig an sein Cockpit denken. Zwar war gab es dort auch nicht viel mehr Platz, jedoch war man allein und hatte eine Luftaufbereitungsanlage an Bord. Nachdem er und Raider von aus dem Hangar des Argon Mammuts "Fabrikschleuder" gestartet sind, nahmen sie Kurs auf das Sonnenkraftwerk Zeta. Raider wollte nichts riskieren, deshalb dauerte der Flug drei mal so lange. Lieber sich den Popo im Cockpit breit zu sitzen als wie ein Leuchtfeuer auf den Ortungsschirmen zu leuchten", dachte sich Stotty. Im Kraftwerk kannte Raider einen Arbeiter, der ihnen für einen unerhört hohen Preis die Identität als Goner beschafft hat. Per Anhalter in einem mindestens fünfzig Jahre alten, heruntergekommenen Energiezellentransporter sind sie dann zur zentralen Handelsstation geflogen. Dank der guten Arbeit des Fabrikarbeiters, kamen sie ohne Probleme durch die Identitätskontrolle. Mit einem Orbitalshuttle landeten sie schließlich in Yori, einer Kleinstadt von Argon Prime. Anders als in Argonia City drückten hier die Beamten beim Ankunftsschalter für ein paar Scheine schon mal ein Auge zu.
Am nächsten Tag, die Nacht hatten sie in einem schäbigen Hotelzimmer verbracht, fuhren sie mit einem Zug des unterirdischen, planetaren Transitsystems um den halben Planeten, um in irgendeinem Kaff voll mit religiösen Fanatikern John Manning zu treffen. Er hatte ihnen erklärt, das eine Lebenslängliche Zwangsarbeitsstrafe durchaus ein realistisches Ziel sei, wenn man den Richter ein bisschen unter Druck setzt, und der Öffentlichkeit einen Plausiblen Grund für die milde Strafe gibt. Zum Abschluss hatte er noch gesagt: "Übrigens, ich bin seit fünf Jahren der Anwalt von Al Rampone. Er will euch mal kennen lernen, wenn ihr die Sache durchgestanden habt." Damit verschwand er und ließ Raider und Stotty verdutzt zurück.
Jetzt saß er in einem vollgestopften Zug des planetaren Transitsystems und raste mit Geschwindigkeiten bis zu Mach drei richtung Argonia City, wo sie mit John Yu eine Verabredung hatten.
***
Die Türglocke verlangte um Aufmerksamkeit und John Yu ließ sich das Bild der Türkamera auf den Flatscreen vor seinem Sofa legen. Er sah zwei Goner, die sich als Jo Craft und Markus Daran vorstellten. Mit einem Knopfdruck öffnete er die Tür. "Wow, ihr seid nicht wieder zu erkennen", sagte er statt einer Begrüßung. "He, ihr könnt euch entspannen, ich habe die Bude nach Wanzen durchsucht", fügte er hinzu, als die Goner ihn mit fragendem Blick ansahen.
"Wann geht's los?", fragte Jo Craft und ließ sich auf die Couch fallen.
"In eineinhalb Stunden werdet ihr abgeholt. Wir haben mehr als genug Zeit, wenn wir gleich anfangen." Das Gurgeln der Toilettenspülung unter brach ihn. "Darf ich vorstellen, das ist Alfred Hayman, mein Sekundant..."
"Du hast zwei Goner angeheuert?" unterbrach ihn Hayman, der gerade aus dem Badezimmer kam.
"Sieht echt aus, nicht? Die verfluchten Beamten von den Identitätskontrollen haben auch nichts gemerkt", sagte Markus Daran, noch bevor Yu zu einer Erklärung ansetzen konnte. "Ich bin Raider, und das ist Stotty."
"Ihr müsst wenigstens die Roben ausziehen, der Projektor kann keine Sachen unsichtbar machen", fuhr Yu fort. "Ihr kennt die Regeln bei einem klassischem Duell?"
Stotty nickte. Warum fragt er? Ich habe ihm ja gesagt, dass ich schon ein paar überlebt habe, dachte er.
Hayman stellte einen Pistolenkasten aus Metall auf den Couchtisch und öffnete ihn. Stotty erkannte eine Plasmapistole, die wohl für das Duell angemeldet ist, drei Energiemagazine, und einen Kunststoffstreifen. Er war circa dreißig Zentimeter lang, sieben breit und zwei Millimeter dick. Auf einer Seite konnte er winzige, metallene Kontakte sehen. Stotty erkannte es sofort als ein militärisches Sichtverbesserungssystem. Der Streifen wird über die Augen Gelegt, der Kunststoff passt sich der Gesichtsform an. Anstelle der Augen, nehmen zwei winzige, leistungsstarke Kameras die Umwelt visuell auf. Jeder Soldat, egal ob Space Marine, Navyangehöriger oder bei der Argonischen Army, bekam ein Implantat in die rechte Schläfe eingesetzt, das die Gedanken übersetzt und über die Schnittstelle sendet. Schließt man nun das Sichtverbesserungsgerät an, kann man es per Gedanken befehlen, auf Nachtsicht oder Infrarot umschalten, die Zoomfunktion bedienen, sich Karten einblenden lassen und etliche andere Dinge. Die Bilder vom Sichtverbesserungssystem wurden via Implantat direkt In den Sehnerv eingespeist.
"Wir haben die Pistole ein bisschen Modifiziert", erklärte Hayman, "Sie können das Bild, das die Miniaturkamera unter dem Lauf ihnen liefert, anzeigen lassen. So dürften selbst Schüsse aus der Hüfte kein Problem mehr sein."
***
Die Bodenlimousine fuhr auf den dicht befahrenen Straßen von Argonia City richtung Arena. In den luxuriös gepolsterten Sitzen des hinteren Abteils saßen Stotty und Raider. Sie hatten sich mit Hilfe des Personal Holoprojectors als John Yu und Alfred Hayman verkleidet. Stotty saß auf seinem Sitz und betrachtete in Gedanken versunken die anderen Bodenwagen und die Hochhäuser, die langsam an seinem Gesichtsfeld vorbeizogen. Duelle waren schon immer ein Kampf um Ehre gewesen. Die Argonen hatten die sie von den Split übernommen und hofften damit, dass sich Mordrate zurückging. Es duellierten sich hauptsächlich Mitglieder verschiedener Mafia-Familien um ihre Konkurrenten sauber aus den Weg zu räumen. Auch Paare, die sich gegenseitig des Ehebruchs beschuldigten, wollten sich aneinander rächen, doch als sie sich dann mit einer Pistole in der Hand gegenüber standen, erklärten die meisten, der Ehre sei genüge getan. Mit der Zeit kamen immer mehr Zuschauer, und die Medienkonzerne witterten die Chance ihres Lebens. Zuerst waren es nur Holoshows, Zusammenfassungen, die gerade mal den Kampf selber zeigten. Manche Duellanten liebten es, sich von der jubelnden Masse anfeuern zu lassen und gaben vor dem Kampf massenhaft coole Kommentare ab und demonstrierten stolz ihr Können mit der Waffe. Die Medienkonzerne benutzten ihren Einfluss auf die Politik, und so entstanden mehrere Arten des Duellierens. Man konnte sich nun mit Keulen die Köpfe einschlagen, sich gegenseitig in einem Häuserkampf oder einem Dschungelgefecht umbringen. Täglich kamen hunderte neue Ideen von Zuschauern, einige wurden sogar ausgearbeitet. Die Duellanten wurden von den Konzernen wie Megastars behandelt. In Luxusvehikeln wurden sie, wenn nötig, durch das komplette Sonnensystem gekarrt, bekamen die besten Suiten in den Teuersten Hotels und wurden mit dem Rotem Teppich empfangen.
Die Limousine hielt vor dem Roten Teppich, der Fahrer stieg aus und öffnete die Tür. Stotty und Raider stiegen aus und schritten den Teppich entlang zum V.I.P. Eingang der Arena, wo sie von einem Mann in ACPD Polizeiuniform erwartet wurden.
"Guten Tag Mr. Yu, Mr. Hayman. Ich bin Sergeant Janvier. Ich bin heute der Schiedsrichter. Bitte folgen Sie mir."
"Ist Mr. Kuzak bereits eingetroffen?", fragte Stotty.
"Vor ungefähr fünf Minuten."
Sie kamen nun in die Mitte der Arena. Der circa fünfhundert Meter durchmessende Kreis war ein gut Gepflegter Rasen, der von den Zuschauerplätzen umgeben war. Auf dem Rasen befanden sich ein Spielfeld für Mannschaftssportarten, eine Laufbahn und verschiedene Sportgeräte, die Stotty nicht kannte. In der Mitte des Kreises war das Feld der Ehre aufgebaut. Ein Generator, der einen kuppelförmigen Schutzschirm um das kleine, markierte Stück Rasen legte. Das Feld der Ehre war dreißig Meter lang und drei breit. An jedem Ende waren die Positionen der Duellanten als ein weißer Punkt markiert.
"Mr. Yu, darf ich Ihre Waffe kontrollieren?", fragte Janvier.
"Natürlich", antwortete Stotty und gab Raider einen Wink, der dem Sergeant die Pistolenkiste offen präsentierte. Janvier nahm die Glock 42 Plamapistole heraus, prüfte sie mit raschen Griffen und legte sie dann wieder zurück.
"In Ordnung", sagte er.
"He Yu! Kannst du das?", schrie Mike Kuzak, Stottys Gegner zu ihm herüber. Er feuerte auf ein paar Holzklötze, die circa fünfzehn Meter entfernt aufgestellt waren. In knapp zwei Sekunden ging jeder der Klötze in Flammen auf, als sie mit dem Plasma in berührung kamen. Sein Sekundant warf ihm in hohem Bogen einen faustgroßen Stein zu, Kuzak schoss und er zerbarst in der Luft. Die Zuschauermenge tobte.
"Gib die Knarre her!", knurrte Stotty. Der Typ ist verdammt gut, dachte er und nahm die bereits geladene Pistole entgegen. Er entsicherte sie, zielte auf den ersten Klotz, die auch für ihn aufgestellt waren und drückte ab. Das Ziel brannte, er hatte getroffen. Er visierte den nächsten an, schoss, und das noch sieben mal. Er hatte zwar alle getroffen, aber knapp fünf Sekunden länger gebraucht als Kuzak. Nun warf ihm Raider einen Stein zu, Stotty riss die Waffe in die Höhe, drückte ab und verfehlte ihn. Vom Publikum hörte er: "Du überlebst das nicht, Yu!" "Der macht dich kalt, gib auf!" "Du Loser!" Plötzlich wurde es komplett still.
"Entladet die Waffen!" ,hörte man Sergeant Janvier's verstärkte Stimme über den Platz hallen. "Nehmt eure Plätze ein!"
Stotty ging begab sich auf seinen Platz auf dem Feld der Ehre. Bei den Space Marines hatte er Selbstbeherrschung gelernt, und war jetzt Dankbar dafür, denn ein Wutausbruch oder Panik würde ihm das Leben kosten.
"Ihr seid heute zusammengekommen, um auf dem Feld der Ehre nach den Regeln des Gunne-Protokolls zu kämpfen. Ihr könnt noch immer eure Meinungsverschiedenheiten auf friedliche Weise begleichen", fuhr Janvier fort, als auch Kuzak auf seinem Platz eingenommen hatte. "Mister Kuzak, ist der Ehre genüge getan und wollen Sie die Sache friedlich beenden?"
Mike Kuzak brach in schallendes, verachtendes Gelächter aus. "Vor dem Typ hab ich doch keine Angst! Nein, der Ehre ist nicht genüge getan!"
"Mister Yu, ist der Ehre genüge getan und wollen Sie die Sache friedlich beenden?"
"Nein." Aus dem Publikum hörte man erstaunte Laute, beinahe jeder war sich sicher, dass Yu nach der Vorstellung den Schwanz einzog. Schadenfreude kam in ihm hoch, als er an die Leute dachte, die gerade eine menge Kohle verloren hatten.
"Das Duell wird nach den Regeln des Gunne Protokolls ablaufen. Ihr werdet auf meine Befehl hin eure Waffen mit einem zehn Schuss Energiemagazin laden und entsichern. Sobald ich den Stein fallen lasse, darf geschossen werden. Es wird solange geschossen, bis das Magazin leer ist, bis der Gegner tot am Boden liegt oder sich ergibt, indem er seine Waffe fallen lässt. Sollte jemand die Regeln überschreiten, bin ich befugt, das mit allen Mitteln zu verhindern oder zu vereiteln. Akzeptieren Sie die Regeln, Mister Kuzak?"
"Ja", sagte er mit grimmiger Stimme.
"Akzeptieren Sie die Regeln, Mister Yu?"
"Ja."
Der Schildgenerator wurde eingeschaltet, ein kurzes, tiefes Brummen war zu hören und eine milchige Kuppel, die rasch durchsichtig wurde, spannte sich über den Platz.
"Gentlemen, bitte Laden Sie Ihre Waffen", sagte der Sergeant als die Energiekuppel unsichtbar war.
Stotty nahm das Magazin von Raider entgegen und schob es in den Griff, bis es einrastete. Auf dem Display wählte er: Selbsttest. Status: Waffe betriebsfähig, las er nach ein paar Sekunden, darunter stand die Anzahl der Schüsse, für die die Energie noch reichte: Zehn.
"Entsichern!", befahl Janvier und streckte seinen Arm aus, in der Hand hielt er einen faustgroßen Stein.
Stotty schaltete sein Sichtverbesserungssystem auf Normalsicht, mischte Infrarot hinzu, legte sich die Bilder der Waffenkamera als Hauptbild fest und seinen normalen Blickfeld als kleines Fenster nach rechts oben. Der Sergeant hielt den Stein mit seiner Hand fest umklammert. Vom Publikum war nichts zu hören, alle hielten den Atem an. Janvier öffnete seine Hand und der Stein fiel.
Stotty riss die Pistole nach oben, versuchte Kuzak ins Fadenkreuz zu bekommen. Als er erkannte, dass der Kuzak seinen Arm beinahe komplett gehoben hatte, drückte er mehrmals ab. Ein Plasmaball traf traf am Bein, trennte es ab und verbrschmorte den Stumpf, der Zweite traf in den Brustkorb, brannte sich den Weg durch das Fleisch frei. Der Dritte Schuss verfehlte ihn und traf das Energiefeld, das ihn in einem milchigem Aufflackern restlos absorbierte. Mike sackte brennend zu Boden. Stotty schaltete sein Sichtverbesserungssystem auf Normalsicht, erst jetzt bemerkte er die jubelnde Zuschauermenge und Sergeant Janvier, der auf ihn zukam.
"Glückwunsch. Möchten sie noch den Reportern ein Interview geben?", fragte er, nachdem er ihm herzlich die Hand geschüttelt hat.
"Nein, bloß weg von hier." Stotty hätte sich am liebsten den Schweiß von der Stirn gewischt, aber das ging mit der Verkleidung schwer. Das war verdammt knapp, sagte er sich.
mfg
cronos