Zu den Kapiteln sieben und acht.
Sieben:
- Das Grundschema wiederholt sich deutlich. Eine Figur eher einfacher Herkunft trifft auf sehr großzügigen Mäzen. Vielleicht steckt dahinter ein Konzept, das erst mit der gesamten Handlung aufgeht. So fällt die enge Parallele in der Handlung zunächst nachteilig auf.
- Am Anfang wieder so viele Zahlen, hmm, also meinen Geschmack entspricht das nicht. Und ich frage mich auch, worauf Du genau hinaus willst. Du gibts zunächst eine Reihe exakter Zahlen an, lässt dem Leser an einer Rechnung des Charakters teilnehmen, doch am Ende bist Du doch auf grobe Werte angewiesen ("vielleicht noch 1.500"). Wenn das Ergebnis nur in Etwa angegeben werden kann, was bringt (dem Leser) dann die exakte Herumrechnerei im Vorfeld?
- Ich nehme an, dass "Aoi Sora Umi" Japanisch ist und eine Bedeutung besitzt. Du solltest daher kurz eine Übersetzung des Namens einbringen.
- "Nazura": Kann nicht völlig ausschließen, dass es nicht auch von Helge schon einmal benutzt worden ist, aber ich würde den Begriff vermeiden. Das Zurasystem ist eine Zeitrechnung, sie ist mathematisch und besteht aus Recheneinheiten. Der Tazura bezeichnet daher einen Tag im mathematischen Sinne, neben dem es eine gesonderte Nacht nicht gibt. Nazura kann somit keine Recheneinheit darstellen und wird entsprechend nicht in dem Maße in den argonischen Sprachgebrauch eingegangen sein, wie Tazura, Jazura, etc.
- "Er schrie auf, langte sich an seinen Kopf und wurde brachial von einem Erinnerungsfragment überwältigt."
Nichts gegen pathetischen Sprachgebrauch, aber kann man von einer Erinnerung "brachial überwältigt" werden? Eine Erinnerung kann plötzlich einsetzen und schrecklich sein und dann sicherlich einen Schock bereiten. Sie kann auch schmerzhaft sein, im psychischen Sinne, hier wirkt es seltsam physisch. Ich meine nicht die anschließende Übelkeit, die macht Sinn, aber es wirkt seltsam...
- Die kurze Beschreibung des Aktes ist gelungen. Wenn Männer sich literarisch diesem Feld nähern klingt es fast immer albern oder ordinär. Das ist hier nicht der Fall.
Acht:
- "Joon hätte seiner Mutter jetzt ab liebsten eins in die Fresse gehauen."
Hier war ich zunächst geneigt ein heftiges "Bitte was?" einzuwerfen. Der Gedanke ist schon eine ziemliche Überreaktion für einen normalen Menschen. Aber zum Ende des Kapitel wird auch so etwas wie traumatische Kindheit angedeutet und dann mag es so gehen.
- Der violette Himmel. Die Science-Fiction arbeitet immer gerne mit solchen "Falschfarbenmotiven", allerdings glaube ich, dass das mit dem HImmel nicht so einfach ist. Die Farbe des Himmels entsteht durch die Brechung des Sonnenlichts in der Atmosphäre. Wenn das eine andere Farbe als bei uns ergibt, müsste die Atmosphäre das Licht anders brechen und folglich anders beschaffen sein. Dann stellt sich aber wieder die Frage, ob ein Mensch in einer solchen Atmosphäre so einfach herumlaufen kann.
- "vom Morgentau durchtränkt": Wenn man sich in eine taufrische Wiese legt, kann die Kleidung durchaus nass werden, aber "durchtränkt" ist doch noch etwas anderes.
- "Clan und Clanführer": Es erschließt sich mir nicht, ob Clan hier nur als Synonym für Familie gebraucht wird (dann wäre unglücklich gewählt) oder etwas anderes andeuten soll (was dann etwas konkreter gefasst werden sollte).
- Die "Zweifaltigkeit": Die Dreidimensionalität der Paraniden ist ein Urprinzip, eine tiefere, metaphysische Ordnung die alle Dinge in der Welt umfasst und durchwirkt, weil alle Dinge in der Welt letztlich dreidimensional sind. Als Prinzip kann die Dreidimensionalität in nichtpersonifizierter Art gedacht werden, wie z.B. das unpersönliche Schicksal. Eine Zweifaltigkeit ist eine Zweigestaltigkeit, sie ist daher ein Zustand kein Prinzip, zumindest kein allgemeines. Es muss ein Etwas geben, dass "zweifaltig" ist, weil sich dieser Zustand eben nicht auf Alles anwenden lässt. Meines Erachtens fehlt hier noch ein Konnex zu etwas anderem.
Zudem muss für ein Gebet etwas Personelles her, ein Prinzip und auch einen "Zustand" kann man in gewisser Weise kultisch verehren und heiligen, aber man kann nicht zu ihm beten. Wir beten nicht zum Schicksal, weil wir es uns nicht als Wesenheit vorstellen mit dem man in Zwiesprache treten kann. Das Personelle muss kein Gott sein, Geister (die Ahnen bieten sich in einem postjapanischen Kontext an) oder ähnliches ginge auch, irgendwas.
Allgemein hoffe ich über die "neue Zweifaltigkeitsreligion" noch einiges zu erfahren, weil Religionen für mich so ein Steckenpferd sind wie für Dich Sprachen und bei den Argonen ist noch viel Weiß zu füllen.


- Der Dialog der beiden Frauen am Ende klingt ein bißchen nach Drehbuch einer schlechten Gerichtsshow (gibt es gute?). Da ist etwas unnatürlich Gewolltes drin, auch wenn ich es nicht genau benennen kann.
Sir Boro Pi
PS: Erst jetzt sehe, dass ich ein Kapitel übersehen habe. Werde mich mit Kapitel sechs ein andermal beschäftigen.
EDIT: Raumdrachen gibt es soweit ich weiß auch im XTM. Kenne die dortigen Vorgaben nicht, aber vielleicht wäre es ratsam sich dahingehend zu orientieren.