gamaxx.de wrote:Special: Beckstein angezeigt
Wir haben recherchiert: So stehen die Chancen!
Heute berichtete die PC Action, dass ein 44-jähriger Kölner eine Strafanzeige gegen den bayrischen Innenminister, Herrn Dr. Günter Beckstein, eingereicht hat. Der gelernte IT-System-Elektroniker und Maschinenschlosser fühlt sich durch Becksteins Äußerungen diskriminiert und wirft dem Bayern üble Nachrede und Volksverhetzung vor. Wir interessieren uns für die Chancen dieser Anzeige und haben den praktizierenden Anwalt Dr. Andreas Lober zu diesem Sachverhalt befragt.
Die Anzeige im Überblick
"Stellvertretend für eine große Anzahl von Betroffenen" reichte der Kölner die Anzeige in Köln ein und beklagt damit die "Beleidigung, üble Nachrede und Volksverhetzung", welche Herr Beckstein immer wieder geäußert hat. Er hatte auch "mehrmals und in verschiedenen Medien die Gleichstellung von Computerspielen mit Kinderpornografie gefordert" und stellte die Aussage in den Raum, dass "Spieler durch die Spiele zu Mördern ausgebildet" würden und "tödliche Zeitbomben" seien. Die Anzeige wurde von der Staatsanwaltschaft in Köln entgegen genommen und wurde heute noch an die zuständigen Bearbeiter in München übermittelt.
Aufgrund dieses brisanten Themas befragten wir den fachkundigen Anwalt Dr. Lober zu den Chancen dieser Anzeige.
Die vermeintliche Straftat
Nach §§ 185 ff. StGB sind Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung strafbar. Es droht Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bei der Beleidigung und üblen Nachrede, von bis zu fünf Jahren bei der Verleumdung. Diese Delikte schützen die Ehre und einige der besonders derben Äußerungen von Herrn Beckstein kann man ohne weiteres als ehrverletztend ansehen.
Doch wer wurde beleidigt?
Die erste Frage ist, wer überhaupt beleidigt wurde. "Ich", sagt der genannte PC Action-Leser, und viele andere Spieler stimmen ihm zu. Ganz so einfach ist das juristisch aber nicht: Herr Beckstein hat ja keine einzelnen Personen direkt angesprochen.
Sind Spieler eine Gruppierung?
Zunächst wäre daran zu denken, dass Herr Beckstein "die Computerspieler" als Gruppe beleidigt hat. Anerkannt ist, dass man beispielsweise die Bundeswehr oder auch Parteien wie die CSU (welcher Herr Beckstein angehört) als Gruppe beleidigen kann. Aber: der Bundesgerichtshof hat schon vor Jahrzenten entschieden, dass Personengruppen als solche nur dann beleidigt werden können (man spricht von "Beleidigungsfähigkeit"), wenn diese genau angrenzbar sind, eine rechtlich anerkannte Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können.
Diese Voraussetzungen würden beispielsweise Entwicklerfirmen für Computerspiele, Publisher oder Vertreiber erfüllen, wenn sie direkt angesprochen worden wären. Bei der nicht genau abgrenzbaren und vor allem nicht organisierten Masse der Computerspieler sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt.
"Die Computerspieler" können also nicht beleidigt werden.
Oder sind Computerspieler eine "Sammelbezeichnung?"
Zweiter Anlauf: Möglich ist es aber auch Einzelpersonen zu beleidigen, indem eine Sammelbezeichnung gewählt wird, also eine Art getarnte individuelle Beleidigung. Dies nimmt die Rechtsprechung aber generell nur dann an, wenn es sich um eine relativ kleine, überschaubare Gruppe von Personen handelt (Zu denen die Spieler ja so wenig gehören wie die Raucher oder die Jugendlichen). Jedes einzelne Mitglied muss individuell erkennbar sein. Der PC-Action-Leser selbst dürfte sich also nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs auch nicht beleidigt fühlen.
... Hach ja, Jura macht Spaß...
Spieler im Kollektiv
Möglich ist schließlich individuelle Personen unter einer Kollektivbezeichnung zu beleidigen, wenn mit der Bezeichnung einer bestimmten Personengruppe alle ihre Angehörigen getroffen werden sollen. Dies ist dann der Fall, wenn die Gruppe aufgrund bestimmter Merkmale genau abgrenzbar ist (wie Raucher oder Kranfahrer), so dass der Kreis der Betroffenen genau bestimmt werden kann.
Zulässig sind aber "Pauschalbeschimpfungen", die so allgemein sind, dass das Urteil nach Ansicht der obersten Strafrichter Deutschlands schon gar nicht einzelne Menschen kränken kann. Hierüber könnte man vorliegend streiten!
Wahrscheinlich sind danach "die Computerspieler" nicht genau genug abgrenzbar und die Aussagen von Herrn Beckstein sind ohnehin eher pauschalisierend. Hierüber kann man aber streiten. Wie schwer die Abgrenzung ist, hat man vor ein paar Jahren gesehen, als der Satz "Soldaten sind potenzielle Mörder" die Gemüter erhitzt hat. Die Meinungen zu dieser Aussage gingen auch unter Juristen auseinander.
Und wenn schon, Herr Dr. Beckstein ist schließlich Politiker...
Selbst wenn man annehmen würde, dass es sich um eine Beleidigung aller Computerspieler handelt, wäre noch nicht gesagt, dass sich Herr Beckstein strafbar gemacht hat, denn das Strafgesetzbuch sagt, dass Äußerungen, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, straffrei sind. Im politischen Meinungskampf ist dabei sehr viel zulässig, vor allem gegen den politischen Gegner (irgendwie fühle ich mich da nicht betroffen). Aber auch, was deftige Stellungnahmen angeht, wird nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.
Zumindest wurde ein Zeichen gesetzt!
Vermutlich werden also die Strafverfolgungsbehörden eher nicht von einer Strafbarkeit ausgehen. Selbst wenn sie es täten, könnte der Bayerische Landtag ein Strafverfahren vorübergehend (nämlich bis zum Ablauf der Legislaturperiode) verhindern. Das steht in Art. 28 Abs. 3 der Bayerischen Landesverfassung (man braucht ja "Sicherheiten").
Gut finden muss man den verbalen Amoklauf von Herrn Beckstein gegen Computerspieler aber natürlich nicht und das werden wahrscheinlich auch die wenigsten, die sich wirklich mit der Materie auskennen. Immerhin sieht Herr Beckstein, dass unser Kölner Spieler nicht direkt Amok läuft, sondern anerkannte Maßnahmen vorzieht. Ob ihn das beeindrucken wird?