KAPITEL 26
# Sternensystem: Life of the Sea
# Satus: unerforschtes Gebiet
# Datum: 04 / 745
Achtzehn Tazuras nach dem Sieg über die Piraten und ihre fanatischen Verbündeten erreichte der boronische Frachter der TL-Klasse Glückstaler das Life-of-the-Sea-System. An Bord befanden sich zahlreiche boronische Wissenschaftler, Berge an Ausrüstung und Nachschub und nicht zuletzt König Rolk selbst. Die Eskorte der Glückstaler bestand aus vierzig Kampfschiffen der M5 und M4 Klassen. Gemeinsam mit der Mannschaft der Nori-Brin etablierten die Boronen eine kleine Wissenschaftsbasis auf dem Planeten Life-of-the-Sea.
Leider war von den legendären Seedrachen noch immer nichts zu sehen. Das konnte König Rolk allerdings nicht davon abhalten durch den fremden Ozean zu schwimmen. Hinter ihm mühte sich Daro-Hi redlich mit ihm mitzuhalten. Schliesslich hatte der König ein Einsehen mit dem alten Wissenschaftler und liess sich im Schatten der Yog-Sothoth-Berge einfach so dahintreiben.
„Majestät ... huff ... Majestät!
Daro-Hi ruderte verzweifelt mit seinen Tentakeln. Er schaffte es nicht einmal jetzt seinen König einzuholen. Rolk prustete vergnügt. Dieser Ausflug schien doch etwas Humor bereitzuhalten.
„Ihr rudert wie ein Seeschwein, oh wissender Daro-Hi." , gluckste Rolk.
„Dashss ... isshsst ... ."
„Beherrscht euch!" , sagte Rolk so ernst wie es ihm möglich war. „Ihr seid doch kein Teladi!"
„Oh nein, gütige Majestät. Das bin ich nicht. Ich bin ein Wissenschaftsethiker!"
König Rolks nickte müde und stiess beruhigende und vergnügliche Hormonwolken aus. Die Schmecker des Wissenschaftsethikers würde diese Hormone aufsaugen und ihn etwas beruhigen. Daro-Hi war einer der besten Wissenschaftler die es gab und Rolk wollte ihn nicht zu sehr verärgern. Immerhin ging es hier um eines der wichtigsten Geheimnisse der boronischen Urzeit.
„Erschmeckt ihr dies uralte Wasser?"
Das war keine richtige Frage. Natürlich konnte jeder Borone dank seiner Nervensensoren jede Art von Flüssigkeit analysieren. Diese Fähigkeit sorgte auch dafür das Boronen die Anwesenheit von anderen Lebensformen sozusagen erfühlen konnten. Der Ozean von Russ war freilich voll von unbekannten und exotischen Duftstoffen, Hormonen und winzigen organischen Teilchen. Irgendwo tief in diesem Ozean gab es riesige Lebensformen, das teilte ihm das uralte Wasser dieses uralten Planeten mit. König Rolk war sich sicher, das es sich dabei um die legendären Seedrachen handeln musste. Eine Beweis für diese Annahme gab es nicht.
„Es schmeckt ... fremd ... mein lustiger König." , antwortete Daro-Hi.
König Rolk rollte mit den Augen und enthielt sich eines Kommentars. Wie er schon lange vermutete besassen die meisten boronischen Wissenschaftler keinerlei Humor. Immerhin konnte er sich jetzt denken wer sich den völlig humorlosen Namen Z-44 für den neuesten boronischen Supercomputer ausgedacht hatte.
„Es wird ein Wettrennen sein, oh Daro-Hi!"
„Ein Wettrennen? Hier? Wie? Was?"
„Natürlich nicht hier, oh verwirrter Daro-Hi. Ich werde an einem sektorweiten Wettrennen der schnellsten Schiffe teilnehmen. Es findet im argonischen System Wolkenbasis-Südwest in drei Mazuras statt. Ich plane nach meinem Sieg der staunenden Öffentlichkeit die Entdeckung bzw die Wiederentdeckung der Saa-Russ, der legendären Seedrachen, präsentieren zu können. Ihr habt als noch genau 145 Tazuras Zeit diese Saa-Russ zu finden. Nicht länger!"
König Rolk stiess sich von einem Felsvorsprung ab und tauchte tief in das fremde Meer ab. Eine Nachrichtendrohne brauche von Life-of-the-Sea bis Wolkenbasis-Südwest mindestens einen ganzen Tazura. Mit Hilfe dieser lichtschnellen, winzigen Datendrohnen konnte man Nachrichten sehr schnell von einem Sektor zu einem anderen Sektor transportieren. König Rolk hatte dem Wissenschaftsethiker also eine Art Ultimatum gestellt. Er lächelte dabei. Daro-Hi war nicht der einzige Borone, der humorlos sein konnte.
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An Bord der Glückstaler analysierten die Wissenschaftler die gefundenen Artefakte und die Überreste der Stardust. Anscheinend war die boronische Kolonie auf Russ vor mehr als neunhundert Jazuras aus bislang unbekannten Gründen aufgegeben worden. Bis jetzt stand nur fest, das einige Kolonisten zurückgeblieben und auf dem Planeten schliesslich gestorben waren.
Für die boronischen Wissenschaftler war das zweitrangig. Sie waren hierher gekommen um die legendären Seedrachen, die Saa-Russ, zu finden. Für die Besatzung der Nori-Brin spielten Ereignisse, die so lange zurück lagen, erst recht keine Rolle mehr.
Kapitän Icaza und der Rest der Crew der Nori-Brin bereiteten sich auf den Aufbruch nach Nyanas Unterschlupf vor. Sie waren für ihre Dienste von den Boronen reichlich belohnt worden. Nyanas Unterschlupf war die einzige grössere argonische Kolonie in den Neuen Sektoren und die Besatzung der Nori-Brin sehnte sich nach etwas Heimat. Da sie wenigstens diesmal keine finanziellen Sorgen hatten, stand einem langen Landurlaub nichts im Wege. Sogar Cullen freute sich darauf.
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Gabriel rieb sich die schmerzende Schulter. Ein Lasertreffer, dessen Licht nur ungenügend von der Cokpitscheibe reflektiert wurde, hatte für ein paar ungefährliche, aber deshalb nicht weniger heftig schmerzende Brandwunden gesorgt. Inzwischen waren die Überreste des Piratenschiffes und der Paranidenbasis gründlich von den Boronen untersucht worden. Die Ergebnisse dieser Unterschung blieben allerdings geheim. König Rolk war auf seine Art sehr arrogant und auch sehr unvorsichtig. Denn offenbar war er der Meinung, das das Piratenproblem beendet sei. Gabriel und die Crew der Nori-Brin waren nicht dieser Ansicht.
„Ihr seid also in Ordnung?"
Die besorgte Stimme seiner Schwester Mariana drang durch das Intercom. Sie war zusammen mit Daro-Hi und den beiden Wissenschaftlerteams auf Russ geblieben um die Saa-Russ, die Seedrachen, zu erforschen bzw sie überhaupt erst zu finden. Dort unten konnte ihr nicht viel passieren. Keine Piratenstreitmacht der Neuen Sektoren war stark genug die boronischen Elitewächter zu besiegen. Seine Schwester war in Sicherheit. Gabriel konzentrierte sich wieder auf das Gespräch und versuchte seine Brandwunden zu vergessen.
„Marquise hat nur ein paar Prellungen abbekommen. Bei Medall sieht es schlimmer aus, zwei geprellte Rippen, aber die Ärzte an Bord der Glückstaler sind sehr gut. Sie sagen, das er in zwei, drei Tazuras wieder in seine Discoverer steigen kann."
„Das sind gute Nachrichten." , Mariana zögerte. „Aber ich habe leider nur schlechte Nachrichten für euch."
„Was solls? Wir haben die Piraten, die Split und die Paraniden überstanden."
„Schön das dein Humor nicht gelitten hat."
Mariana betätigte einige Tasten und ihr Bild wurde durch die dreidimensionale Abbildung einer uralten Karte ersetzt.
„Das ist die Schatzkarte von Ignaz Gavin. Er hat sie von einer Piratin gekauft, offensichtlich genau derselben Piratin, die uns verfolgt hat."
„Wie bitte?"
„Es wird noch schlimmer. Diese Karte ist nur ein Teil einer mindestens doppelt so grossen Karte. Der andere Teil zeigt ein Gebiet jenseits des Grüne Schuppe Systems. Wir vermuten das es sich um das System Schatzkammer handelt. ... Es ... ähh ... könnte etwas mit der Heiligen Paranidischen Gemeinschaft zu tun haben ... mit Xayon!"
Jetzt erinnerte sich auch Gabriel an die Geschichten der Priester. Im 22ten Heiligen Zyklus der Paraniden war irgendetwas geschehen, etwas gebaut worden ... .
„Xharax! ... Der uralte Tempel des Xayon!"
Marianas Gesicht erschien wieder und drückte Besorgnis aus.
„Daran habe ich auch gedacht. Sie haben uns diese Märchen immer wieder erzählt. Aber selbst viele der Gläubigen hielten die alten Geschichten für eine Erfindung der Priester. Vielleicht ist es nicht so. Jedenfalls suchen die Piraten nach diesem Tempel ... oder einem Artefakt aus diesem Tempel."
„Aber was können wir tun?" , fragte Gabriel.
„Ich habe Ignaz unter Druck gesetzt. Er hat seine Kontakte zu den Piraten spielen lassen und herausgefunden das ein gewisser Kyo t´Nnt einen berüchtigten Forscher namens Kalman angeheuert hat. Dieser Kalman ist ein Experte für alte paranidische Geschichte und natürlich alle paranidischen Mythen. Er war es, der die teladianische Koloniebasis mit zwei experimentellen M/AM-Minen zerstört hat. Offensichtlich wird er von Prinz Philiph Phildoph und Kyo t´Nnt unterstützt. Über die Ziele der Piraten kann Ignaz aber auch nur spekulieren."
Das Ganze ergab noch keinen Sinn. Wieso suchten Piraten nach einem alten Artefakt das wahrscheinlich keinen materiellen Wert besass? Der Heilige Tempel des Xayon war ein reiner Mythos aus den Anfängen der paranidischen Raumfahrt. Angeblich sollte es dort sagenhafte Schätze und mächtige Waffen gegen, neben endlosen Bibliotheken, unendlichem Wissen und natürlich der Erlösung aller Lebewesen. Solche Geschichten nahm ausser den Paraniden und ein paar Sektenspinner niemand ernst. Was also suchten die Piraten wirklich?
„Danke und Adieu, Schwester."
„Adieu, Bruder. Pass auf dich auf."
„Ich verspreche es."
Der Bildschirm des Vidcoms wurde schwarz und zeigte kurz darauf das Logo des Argonischen Wissenschaftskorps an. Gabriel war wieder allein. Aber diesmal war es anders als nach Nenas Tod. Diesmal wusste er sofort, was er zu tun hatte. Er würde zusammen mit Icaza und der Nori-Brin nach Nyanas Unterschlupf reisen. Dort gab es ein lokales HQ der Argonen, dort würde man seinen Ausführungen über die Heilige Paranidische Gemeinschaft Glauben schenken. Jedenfalls hoffe er das.
Fortsetzung folgt ... irgendwann nach Neujahr, also so um den 10. Januar 06.
Ein Frohes Weihnachtsfest und einen Guten Rutsch ins Neue Jahr wünsche ich der ganzen X-Community, EGOSOFT, HelgeK und besonders den Lesern meiner Geschichte.
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