
Diesmal eine Geschichte, die nichts mit Science-Fiction oder dem X-Universum zu tun hat, also eigentlich beinahe OT, aber ich glaube es passt hier doch auch ganz gut.

Im ersten Kapitel scheint von der eigentlichen Handlung noch nicht allzu viel durch, die späteren Teile werden da mehr Klarheit schaffen.
Nun denn, mögen die Spiele beginnen.

Prolog:
Der Horizont ist nur eine Etappe!
Kapitel I.
Frohes Fest auf hoher See
„Aufwachen, Alarm!“, schrie Antonio Vicente, einer der höheren Offiziere an Bord des imperialen Segelschiffes Galleja Grande. Die Soldaten in den Hängematten unter Deck sprangen sofort auf und rannten hoch an Deck, gingen allesamt in Position und warteten die Befehle ihres Kapitäns ab. Lediglich ein Mann blieb in seinem Bett und streckte sich erst einmal; es war erst früh am Morgen, was sollte jetzt schon passieren.
Die Sonne würde in voraussichtlich einer halben Stunde über den Meeresrand kriechen, momentan ließ sich nur in schwachem Dämmerlicht das sanft wogende Meer erkennen. Nur wenige Schäfchenwolken würden später den Himmel schmücken. Die Galleja Grande war kein normales Schlachtschiff des Kaisers, es handelte sich um das Flagschiff der gigantischen Hauptflotte, die in den letzten Monaten leider größtenteils auf den Grund des Meeres verfrachtet worden war.
Ein Geschwader von nur mehr vier monströsen, reich verzierten Dreimastern des heiligen Zahra-Reiches segelte gen Osten in die bald aufgehende Sonne.
Einige Pfeile, an denen Nachrichten festgebunden waren, zischten zwischen den Schiffen hin und her; die beliebteste Art der Kommunikation auf dem Meer, bei Feindschiffen nutzte man auch Brandpfeile.
Großkapitän Majestro hatte sich vorbereitet, er hatte mit Feindkontakt gerechnet. Ursprünglich sollte er im Namen des Kaisers in die Gewässer des Feindlandes Yonebatashima vordringen, die Situation auskundschaften und gegebenenfalls angreifen, doch wie immer waren die Yoni dem Kaiser einen Schritt voraus, seine Flotte sollte offenbar abgefangen werden.
„Es sind Yoni!“, bestätigte nun auch Ruben Salvador, der Späher im Ausguck, laut rufend. Das war allen klar, die anderen Reiche hielten sich von diesem Konflikt fern. Die letzte Hoffnung darauf, dass sie nur einer neutralen Handelsflotte begegneten, schwand, und die Kanoniere begannen ihre Waffen zu laden, ohne einen Befehl abzuwarten, es war doch klar, was geschehen würde. Yoni verstehen keinen Spaß, zumindest nicht, wenn man versucht ihre Hafenstädte auszuradieren.
Majestro stand auf, richtete den Kragen seiner königsblauen, mit goldenen Knöpfen und Schulterabzeichen verzierten Uniform, und verließ die Kapitänskabine, deren Ausgang ihn direkt auf das Deck seines stolzen Flagschiffes führte.
Alle Mann schlugen die Schuhe gegeneinander und salutierten kurz, als die Tür ins Schloss fiel, gingen dann wieder schnellstens ihrer Arbeit nach. Der Kapitän nickte zufrieden.
„Vicente!“, rief er, und sofort trabte der Offizier an. Die Kleidung war ganz ähnlich, nur nicht so sehr verziert und ein Federhut fehlte dem Soldaten.
„Kaeptn?“, fragte Antonio.
„Die Pfeilboten sollen meinen Befehl an meine anderen Schiffe weitergeben.“ Er überreichte Antonio ein Blatt alten Papiers. „Lass dies schnell in dreifacher Ausführung abzeichnen und versenden.“
Der Offizier salutierte und rannte los, Majestro spielte ein wenig an seinem Säbel herum. Dies würde eine große Schlacht werden und es konnte nur einen Sieger geben.
Unter Deck hingegen war es relativ ruhig. Der letzte hier unten verbleibende Soldat des Kaisers suchte gerade noch verzweifelt seine Hose, die Schuhe hatte er schon angezogen. Schlachten am frühen Morgen waren ihm verhasst.
„Dante...“, flüsterte jemand leise lachend. „Auf deinem Bett.“
Der Soldat sah hin und fand sein Beinkleid. „In der Tat, oh Juan. Er hat meine Hose gefunden, ich bin ihm zu tiefstem Dank verpflichtet.“
Er machte einen höflichen Knicks, dann brachen beide in Gelächter aus und Dante zog sich weiter an.
„Na, was gibt´s? Hat unser Offizier mal wieder einen kleinen Weckruf gestartet, um die Crew zu testen, oder ziehen wirklich Feinde auf?“, fragte Juan, der, nebenbei erwähnt, aussah wie ein Bauer in Lumpenkleidung.
„Was auch immer“, sagte Dante. „Es ist doch immer das Gleiche, Kanonen hier, Säbel da... das bringt einen nicht mehr aus der Ruhe. Was gibt´s denn heut´ zu spachteln, mein Smutje?“
„Du solltest dir vielleicht mehr Sorgen um das Gefecht machen, zu essen gibt es doch jeden Tag nur die Reste von gestern.“ Er grinste, Dante nickte kichernd und zerriss beinahe einen Knopf seines Hemds, dessen Fehlen unter all den Flecken und Flicken kaum aufgefallen wäre.
„Nun denn, die Pflicht ruft“, sagte Dante, nun in voller Montur, und ging zur Leiter.
„Heute nimmst du keine Waffen in die Schlacht?“, zweifelte Juan und deutete zum Säbel, der sich mal wieder nicht am Gürtel des Soldaten befand. Dante blickte an sich hinab. „Potzblitz.“
Die beiden Flotten stürmten aufeinander zu, die Yoni von Osten her, die Zahra aus dem Westen. Mittlerweile hatte Ruben die Feindstärke mit seinem Fernrohr ermitteln können, es handelte sich um sechs Korvetten, deutlich kleiner als die Schlachtschiffe des Kaisers, aber auch deutlich schneller.
Dante kam, diesmal wirklich in voller Montur, an Deck.
„Soldat!“, rief Vicente. „Gut, dass du kommst, zeichne dies dreimal ab und bring es dann Sarita, sie soll die Kopien an unsere Kapitäne schicken!“
„Aye Kaeptn“, sagte Dante und nahm das Papier entgegen.
Vicente sah den Soldaten schräg an; Kaeptn? Nun, klang nicht schlecht, was soll´s, eines Tages würde er sowieso... er schüttelte sich und rannte zu den Kanonieren, um irgendetwas Aufmunterndes zu schreien.
Dante sah das Papier an, es handelte sich um eine Zeichnung der typischen kaiserlichen Angriffstaktik: Augen zu und durch. Die Schiffe sollten schlicht in einer Reihe vordringen und wild drauf los ballern, wenn die Yoni an ihnen vorbeisegeln. Dante rannte in die Offizierskajüte, machte kurzerhand drei Kopien eines leicht veränderten Befehles und ging dann wieder an Deck und über einige Treppen auf den oberen hinteren Teil des Schiffes, auf dem nicht nur der Steuermann stand, sondern auch Sarita mit ihrem Bogen wartete.
„Sarita!“, rief Dante. „Hier, einen Befehl für jedes Schiff, hau rein.“
Sie war eine der wenigen Damen an Bord, und das auch nur, weil man auf die Schnelle keinen so exzellenten männlichen Bogenschützen gefunden hatte. Sie band die Papiere an Pfeile und schoss einen auf jedes der anderen Schiffe; als Ziel waren große Holzscheiben vorgesehen, die man auf den Plateaus der Pfeilboten installiert hatte.
Ruben betrachtete den Vorgang durch sein Fernrohr.
„Zweimal ins Schwarze und einmal zwölf Punkte!“, rief er und wandte sich dann wieder der Feindflotte zu. Sarita machte sich ein paar Markierungen im Boden.
„Wir müssen mal Dart spielen“, sagte Dante kopfschüttelnd.
„Wahrhaftig, ich muss dich mal wieder besiegen.“
„Im Schach habe dich geschlagen.“
„Weil ich betrunken war.“
„Sieg ist Sieg.“
„Du hast meine Spielfiguren angezündet...“
„Du machst es einem auch nicht leicht...“
Kriegshörner ertönten, die Kapitäne der anderen drei Schiffe ließen damit die Befehle bestätigen und gingen in gefächerte leichte Keilformation zur Galleja Grande.
„Nun denn, ich werde dann mal schauen, ob ich meine Kanone finden und sabotieren kann“, sagte Dante und ging mit diesen Worten wieder die Treppen hinunter zu den anderen Soldaten.
Auf den Korvetten der Yoni hingegen war die Stimmung eher... gelassen? Weder waren die Kanonen geladen, noch wurde ein Entermanöver vorbereitet, und die Kommandantin saß seelenruhig in ihrer Kabine auf dem Flagschiff.
In jenem Schiff, das ganz links außen segelte, erhob sich Tsuyoshi aus seinem Bett und ging gelangweilt an Deck. Er war kein Soldat, er war Handwerker, und er hatte es zustande gebracht nach den Schiffsreparaturen einzuschlafen und sich beim Aufwachen schon auf hoher See zu befinden. Somit war er mehr oder minder ein blinder Passagier und wurde für Aufräumarbeiten als Hilfskraft missbraucht; wenigstens wurde er dafür umsonst verpflegt.
Immer noch müde schlurfte er über das Deck und sah das Meer vorwurfsvoll an. Seekrank...
Im Augenwinkel fielen ihm ein paar Dinge auf, die dort nicht hingehörten. Verwirrt drehte er sich hin und rannte an die Reling, sah weit entfernt die Schiffe der Zahra. Wurden sie etwa angegriffen? Beinahe stolperte er beim Losrennen und rannte in die Kapitänskajüte. „Kanchô! Alarm!“, schrie er panisch. „Zahra! Sie haben die Kriegsflaggen gehisst!“
Frau Kapitän antwortete nicht, sie lag schlafend über ihrem Schreibtisch und blickte den Schreienden aus einem Auge an, während sie langsam begann sich zu strecken.
„Zahra, eh?“, fragte sie.
„Hai, Kanchô Amaya!“
Sie nickte. Immer diese Förmlichkeiten... „Wie nah?“
Er dachte einen Moment lang nach. „In Sichtweite.“
Sie nickte abermals. „Schon irgendwer wach?“
Aus irgendeinem Grunde hatten die Yoni keine Nachtwachen aufgestellt, das taten sie nie, sie rechneten nicht damit, dass die Feinde nachts wach blieben. Das wäre gegen die Natur.
„Nun ja...“, sagte Tsuyoshi. „Wir beide sind wach.“
Sie sank zusammen, soweit das aus ihrer Haltung noch möglich war, und quälte sich dann in eine aufrechte Position, rückte ihre Uniform zurecht. Uniform war noch eine schmeichelnde Bezeichnung, bei den Yoni trugen die Soldaten das, was man in den anderen Ländern wohl berechtigterweise als blauen Bademantel bezeichnet hätte. Den Kapitän konnte nur durch ein hervorstechendes Merkmal identifiziert werden, sein Gesicht. Alles andere, wie Orden und lustig bunte Hüte wurden vom hiesigen Militär als Schnickschnack abgetan, möglicherweise zurecht.
Amaya stand auf. „Wir sollten wohl Alarm schlagen und die anderen wecken. Stell dir vor wir sinken und keiner kriegt´s mit.“
Tsuyoshi war leicht verwirrt. Er hatte erwartet, dass die Soldaten bei Feindkontakt alle aufspringen, sich bewaffnen und losstürmen, die Realität schien jedoch etwas anders auszusehen als die Geschichten aus Büchern... die Yoni hatten keinerlei Kampferfahrung, sie waren ein Volk von Bauern.
Ruben untersuchte mit seinem Fernrohr derweil weiter alles im Sichtbereich. Sie waren auf dem offenen Meer, und bis auf eine kleine Logger, einem schnellen Dreimaster, der sich wohl in dieses Gebiet verirrt hatte und weit entfernt kreuzte, war nichts zu erkennen. Hervorragend, die Yoni griffen nur von einer Seite an; die Mannschaft der Logger würde ihr Schiff wohl klugerweise aus diesem Gefecht fernhalten. Schien, als würde es gar nicht mal so schlecht um diese Flotte des Kaisers stehen, die auf planlose Frontalangriffe spezialisiert war und hier ein schönes Ziel dafür fand.
„Hey... aufwachen...“, murmelte Amaya halbherzig und gähnte herzhaft, während sie hinunter in den Mannschaftsraum stolperte. Tsuyoshi folgte nervös.
„Was´n los?“, fragte Ai, die Quartiermeisterin auf diesem Schiff. Sie war nicht aufgewacht, sondern hatte wach dagelegen, bis Amaya sie aus ihren Gedanken geweckt hatte.
„Wir werden, äh... angegriffen“, sagte Amaya. Tsuyoshi sah perplex drein, was war das denn für eine Art die Crew zum Kampf aufzurufen? Gab es hier denn keine Disziplin?
„Oh ne... nicht jetzt...“, maulte Ai und schob trotz ihres eigenen Protestes die Bettdecke zur Seite. Dies war einer der vielen taktischen Vorteile der Yoni, sie hatten auf ihren Schiffen Betten anstelle von Hängematten. Ai erhob sich aus ihrem Bett, sah sich schlaftrunken um, griff nach der Alarmglocke, verfehlte und klatschte auf den Boden.
„Booh...“, meckerte sie, quälte sich auf und schlug gegen die Glocke, die laut schallte und die meisten hier unten aufweckte.
Die erste Offizierin, die mit den normalen Soldaten hier unten pennte, sprang auf und ging halbwegs aufrecht zum Kapitän, tat so als würde sie salutieren und fragte, was denn passiert sei.
„Moin Sakura“, grüßte Amaya. „Wir werden angegriffen; gib mal Meldung an die anderen Schiffe. Wir sollten vielleicht abdrehen und fliehen...“
Tsuyoshi hielt es nicht mehr aus; das sollte die glorreiche Flotte sein?!
„Krieg!“, schrie er. „Wir werden angegriffen, alle auf Kampfstationen!“
Die Mannschaft sah ihn vorwurfsvoll an, warum schrie der Kerl nur so laut, und was hatte ein Mann überhaupt in den Frauenquartieren zu suchen...
Offizier Sakura ging an Deck und schoss ein paar Kanonenkugeln ab, um die anderen Crews zu wecken, Ai hingegen setzte sich erst einmal und zog ihre Schuhe, ein Paar einfache militärische Holzschlappen, an.
Amaya ging frühstücken.
„Sie schießen!“, schrie Ruben, als er die Rauchwolken der feindlichen Kanonen sah. „Sie schießen auf uns!“
„Auf diese Entfernung?“, rief Majestro erstaunt. Die Feindflotte war viel zu weit entfernt, um treffen zu können. Wollten sie die kaiserliche Flotte etwa verschrecken? Nicht mit mir, dachte sich der Großkapitän.
„Feuert einige Warnschüsse in ihre Richtung!“, schrie Majestro. Sofort wurden die Kanonen in Position gebracht und es knallte. Dante hielt sich die Ohren zu und kauerte sich zusammen. Dieser Lärm war einfach schrecklich.
Sakura sah verwirrt in Richtung der angreifenden Flotten. Warum diese wohl feuerten? Ein Weckruf konnte es nicht sein, der überraschende Angreifer aus der Dunkelheit ist in der Regel schon wach.
Die Mannschaften auf den anderen Schiffen der Yoni kamen langsam an Deck. Amaya und Ai, letztere hatte ebenfalls begonnen zu frühstücken, mussten ihr morgendliches Ritual unterbrechen, da es langsam gefährlich wurde. Tsuyoshi rannte hysterisch umher und versuchte irgendwelche nützlichen Dinge zu tun, indem er die Kanonen hin und her schob.
Kurzum, niemand auf den sechs Korvetten wusste, was zu tun war. Zu ihrer Verteidigung muss gesagt werden, dass diese Flotte noch nie in ein Gefecht verwickelt worden war, bisher waren die Seeleute nur heiter im Kreise patrouilliert.
Majestro sah stolz der angreifenden Flotte entgegen. Sie hatten das Feuer eingestellt und in seiner Phantasiewelt waren nun sie diejenigen, die er eingeschüchtert hatte. Es konnte gar nicht besser laufen, in wenigen Minuten würden die Feinde in Feuerreichweite sein. Er plante die eine oder andere Korvette zu entern, sie würden sich gewiss gut als Bombenboote machen. Hin und wieder einfach zu rammen war eine weitere Taktik der kaiserlichen Armada, oder genau genommen eine Folge mangelnder Navigationsfähigkeiten, die dann schlicht als Taktik bezeichnet wurde.
Vermutlich hatten beide Armeen ihre skurrilen Eigenheiten.
Die Schiffe preschten weiter aufeinander zu.
Die kaiserlichen Soldaten starrten den vermeintlichen, tatsächlich aber unfreiwilligen Angreifern entgegen, alle Mann waren auf ihren Positionen und kampfbereit, willig ihr Leben in dieser Schlacht zu lassen. Zumindest ein Teil von ihnen... ein paar andere ruderten bereits in Rettungsbooten fort.
Die Yoni waren derweil größtenteils in Position, einige begannen schlaftrunken damit ihre Kanonen zu laden, bis eine Sirene vom Flagschiff ertönte, die ihnen durchaus gelegen kam. Fluchtbefehl. Die Steuermänner drehten sofort bei, um einen schnellen Fluchtkurs einzuschlagen.
Nun trat fatalerweise Dantes Planänderung in Kraft, die er, hätte er die Flucht erahnt, nie hätte stattfinden lassen. Statt zu verfolgen drehten sich die kaiserlichen Schiffe, ausgenommen des Flagschiffes, um circa fünfundvierzig Grad, aus dieser Position feuerten sie eine volle Breitseite in die Segel der feindlichen Flotte, sodass die Yonischiffe nicht nur den Großteil der Segel, sondern auch einige Masten verloren. Keine Möglichkeit zum Beschleunigen blieb. Dante hatte erwartet, dass die Yoni ebenfalls in die Segel der Feinde feuern, und somit beide Flotten manövrierunfähig im Meer treiben; es hätte somit keine weitere Schlacht geben können und er wäre fein raus gewesen. Leider dachten die Yoni gar nicht daran mit Kanonen zu attackieren, was seinen Plan zu Fall brachte. Sein Versuch eine Schlacht zu verhindern war gleich ein doppelter Rückschlag.
Nachdenklich und mit verschränkten Armen stand Amaya an Deck und versuchte die an ihrem Kopf vorbeisausenden Kanonenkugeln zu ignorieren. Eine Taktik musste her. Möglichst schnell.
„Rettungsboote?“, fragte sie an Ai gewandt, die sich hinter einem Holzfass versteckte.
„Habe nie welche gekauft“, sagte die nur.
Die Steuermänner drehten spaßeshalber noch ein wenig an den Rudern, obwohl sie durch weitestgehend fehlende Segel kein Stück mehr manövrieren konnten. Einige Soldaten gingen achselzuckend wieder unter Deck.
„Kapitulation“, schlug Amaya vor.
„Keine weiße Flagge“, bedauerte Ai.
„Nehmen wir halt Handtücher.“
„Kein Fahnenmast.“
Amaya schüttelte sachte den Kopf, sie hätte wirklich ein wenig essentielle Ausrüstung kaufen sollen anstatt das Budget für Luxusgüter auszugeben. Doch wer hätte schon erwartet im Krieg auf den Feind zu treffen...
„Hach je...“, flüsterte sie ein wenig hilflos. Die feindlichen Schiffe steuerten wieder direkt auf sie zu, vermutlich um zu einem Entermanöver anzusetzen, was in Anbetracht der Lage kein größeres Problem darstellen sollte.
Die Kommandantin der Yoni-Flotte versuchte den Kapitänen der anderen Schiffe ein paar Zeichen zu geben, indem sie mit zwei Flaggen Buchstaben eines Signalalphabets vortanzte, das sie wohl gerade erst erfunden hatte.
Nun, sollten sie wohl gleich geentert werden. Amaya ging auf die Spitze ihres Schiffes, zumindest würde sie einen höflichen Empfang bereiten können. Ai folgte mitsamt ihrer Deckung in Form eines Fasses, Sakura gesellte sich zu ihrer Anführerin.
Nur Tsuyoshi, der einzige Nichtsoldat, bewahrte noch ein wenig militärisches Gespür und rollte eine der Kanonen so schnell er konnte zur Spitze des Schiffes, um von dort aus ein Loch in den Bug der Feinde zu schießen. Leider rollte er das Geschütz ein wenig zu schnell und es donnerte mit Karacho durch die Reling, um dann elegant ins Meer zu platschen. Der Handwerker sah ihr trauernd nach und dann den Feindschiffen entgegen. Sie sollten langsam abbremsen, so frontal wie sie kamen.
„Schneller!“, schrie Majestro. „Gleich haben wir sie!“
Auch er stand auf dem vorderen Teil seines Schiffes. Derweil konnte er einer feindlichen Kapitänsdame entgegen sehen, die ihm freundlich zuwinkte. Das würde ihn nicht aufhalten.
„Sir“, meldete sich ein Soldat namens Miguel. „Das Enterkommando ist bereit.“
Majestro nickte zufrieden.
Dann prallte die Galleja Grande mit einer Korvette zusammen, beide splitterten, standen schief und begannen zu sinken. Majestro hob eine Augenbraue, als er durch die Luft geschleudert wurde und kurz darauf beinahe auf einige seiner Soldaten fiel, die geistesgegenwärtig genug waren auszuweichen, jedoch nicht geistesgegenwärtig genug ihn aufzufangen. Der Großkapitän durchstieß das Holz und fand sich in der Kombüse wieder, wo Juan gerade ein wenig genervt Kartoffeln schälte.
Miguel zuckte mit den Schultern, zog den Säbel und rannte nach vorn, sprang ab, knapp an der feindlichen Korvette vorbei und ins Wasser. Zwanzig Mann seiner Truppe hechteten ihm hinterher, einige andere blieben unschlüssig stehen und wurden kurz darauf von einer weiteren Erschütterung herumgeschleudert.
Nun begann der Teil der Schlacht, den man wohl kurzum als unbeschreibliches Chaos bezeichnen könnte. Hier und da feuerte eine Kanone, rammte ein Schiff ein anderes, sank beinahe oder fing Feuer, das es zu löschen galt, die Yoni brachen in Panik aus und warfen mit Alltagsgegenständen wie Zahnseide nach den Feinden, die kaiserliche Armee griff ungeschickt ruhmreich an oder floh, Dante und Sarita hatten ein schönes Fass gefunden und ruderten darin fort.
Dies ging solange weiter, bis sich alle Schiffe verkeilt hatten und irgendwo zwischen Sinken und Segeln auf der Wasseroberfläche hangen, ein Teil der Soldaten schwamm in der Nähe auf Holzresten umher.
Die Yoni begriffen langsam, dass sie sich in einem Gefecht befanden – ihr angeborener Kampfgeist wurde geweckt. Tsuyoshi rannte kreischend vor Antonio fort, Sakura schob eine Kanone vor sich her und rammte damit die Feinde von Bord, Ai kletterte am Mast hoch, sprang auf einen der Kaiserlichen und nahm ihm die Pistole ab, feuerte dann wild in die Luft. Amaya, die als Kapitän eigentlich Befehle geben sollte, hatte sich bewaffnet und enterte im Alleingang die Galleja Grande.
Ruben sah von seinem Ausguck auf das Chaos hinab, während er ähnlich wie ein Fußballkommentator herumschrie und mit Kleinkram nach den Yoni warf, bis schließlich Amaya zu ihm hoch kraxelte und ihn mit einer Bratpfanne aus dem Ausguck schlug. Mitsamt Fernrohr fiel er hinab und landete weich auf Majestro, der derweil wieder an Deck gekrochen war.
Juan kam mit einem Eimer auf den Rücken geschnürt an Deck, schmiss mit heißen Kartoffeln nach den Yoni und verbrühte einige andere mit siedendem Kochwasser. Kühlung versprach das Meer, in das jene sprangen.
„Sag mir, dass ich genial bin“, lachte Dante, darüber erfreut dem Gefecht entkommen zu sein.
„Im Ansatz...“, meinte Sarita skeptisch und blickte sich das Spektakel an.
Miguel hatte es derweil tatsächlich geschafft über ein Loch in der Wand des feindlichen Schiffes an Bord zu klettern. Er war im Speiseraum gelandet, eine Essensschlacht folgte.
„Sag mal, warum genau veranstaltet der Kaiser eigentlich dauernd solche Manöver?“, fragte Dante kopfschüttelnd und sah sich das eher unterhaltsame Gefecht an.
„Tradition“, meinte Sarita. Natürlich gab es noch einige weitere, aber allgemein unbekannte Gründe. „Ich frage mich langsam, warum überhaupt noch gegen die Yoni gekämpft wird, die haben doch sowieso nichts, was wir nicht auch hätten.“
Dante nickte. Er sah etwas enttäuscht aufs Meer hinaus und erschrak. Eine Logger raste direkt auf das im Meer treibende Fass zu. Dante sah dem Schiff skeptisch entgegen und tickte Sarita auf die Schulter. Einen Knall später war das Fass zersplittert und die beiden Zahra schwammen durchgeschüttelt und weniger erfreut im Meer.
Das Schiff wendete jedoch kurz darauf und die Segel wurden eingezogen, es hielt in der Nähe des Unfallortes. Ein Mann in Mönchskutte winkte den beiden zu.
„Tut uns Leid, war gewiss nicht unsere Absicht. Kommt ruhig an Bord und trocknet euch ab.“
Dante sah ihn an, als hätte der Mönch ihn darum gebeten eine Wand hoch zu laufen, was er eigentlich auch getan hatte, denn ohne weiteres kann man aus dem Meer nicht auf ein Schiff klettern.
Dem Mönch schien dies nach einiger Zeit auch einzuleuchten und er warf eine Strickleiter hinunter. Nachdem die beiden an Bord waren, setzte das Schiff wieder Segel, um weitere Leute aufzusammeln. Wozu? Wer weiß...
Tsuyoshi, der immer noch von Antonio verfolgt wurde, sah keinen anderen Ausweg mehr und sprang von Bord, er hoffte schnell genug schwimmen zu können. Antonio folgte ohne mit der Wimper zu zucken.
Amaya, die weiter mit einer Bratpfanne Soldaten verdroschen hatte, traf schließlich auf Juan, der einige Kartoffeln nach ihr warf, die sie jedoch wie eine Tennisspielerin zurückschleuderte. Juan wurde von Bord geschossen. Ein stattlicher Soldat nahm sie hoch und warf sie hinterher.
Ai rannte noch immer mit der Pistole herum, die zwar nicht mehr geladen war, sich aber durchaus immer noch gut zum Verschrecken eignete. Sie fiel ebenso wie Ruben ins Meer, als sich die Galleja Grande plötzlich auf die Seite drehte und dabei zerriss, ohne endgültig auseinander zu fallen oder aus der verhedderten Flotte auszubrechen.
Sakura, die ihre Kanone noch immer als Rammbock nutzte, stolperte, krallte sich am Geschütz fest und rollte darauf durch die zerberstende Reling ins Meer.
Miguel hatte es geschafft sich bis aufs Deck des feindlichen Schiffes durchzukämpfen und griff dort nach einem herabhängenden Tau, um im Stile Tarzans auf ein anderes Feindschiff zu wechseln. Leider klatschte er unterwegs gegen das Segel einer vorbeifahrenden Logger und fiel an Deck jenes Schiffes.
Majestro hielt seinen Säbel stolz in die Luft und schrie einige Parolen, blies zum Angriff. Zwei stattliche Yoni nahmen ihn hoch und warfen ihn über Bord.
Die Logger unbekannter Herkunft beendete ihre Sammeltour schließlich und alle Segel des Schiffes wurden gehisst, mit hoher Geschwindigkeit, die man von einem dermaßen kleinen Schiff mit dermaßen großen Segeln erwartete, rauschte sie davon, das Schlachtfeld hinter sich lassend.
Die Sonne ging auf.
Der Kampf dauerte noch einige Zeit an, bis die Crews schließlich dermaßen erschöpft waren, dass sie die Schlacht für unentschieden erklärten und die über Bord gegangenen Männer und Frauen wieder an Deck holten, was den halben Nachmittag in Anspruch nahm. Es gab keinen Grund weiter zu kämpfen, der Großkapitän der Zahra war verschwunden und die Yoni-Admirälin war zu beschäftigt damit ihr Zimmer aufzuräumen. Die verkeilten Schiffe, die aus irgendeinem Grund einfach nicht sanken, trieben einige Zeit lang über das Meer und erreichten schließlich die ferne Küste eines neutralen Landes. Von dort aus reisten die Soldaten wieder heim.
Doch das Schicksal derer, die von der Logger eingesammelt worden waren, lässt sich nur schwerlich mit so wenigen Worten zusammenfassen.
Im Gegenteil... es bietet genügend Stoff für eine ganze Legende.