Streichen wir den Part "TeX kann ich schlecht ins Forum posten". TeX->BB-Code-Konverter ftw. Ich empfehle aber trotzdem die PDF-Variante, da werden die Flüche nicht zensiert.
»I call it … Vera«
Oktober 2006, Irak, westlich von Bagdad, 9 Uhr Ortszeit
Das Gebiet westlich von Euphrat und Tigris ist ein derart öder Wüstenstreifen, dass selbst Lawrence von Arabien nicht sadistisch genug war darin kämpfen zu wollen. Da heutige militärische Führer den Vorteil haben, nicht selber im Kampfgebiet sein zu müssen (und sie so praktische Einrichtungen wie Klimaanlagen besitzen), interessiert sie das recht wenig …
»Wieder am schreiben?«
Mitch zuckte zusammen und drehte die Karte um, auf deren Rückseite er ein Tagebuch improvisiert hatte. »Äh, ja, Sir«, stammelte er und drehte sich zum Fragesteller um. Freedman stand hinter ihm, eine Zigarette im Mundwinkel und grinsend, als er Mitchs Nervosität bemerkte, die eindeutig nicht nur von der Unterbrechung herrührte. »Wenn dir langweilig ist, kannst du das auch direkt sagen. Ich brauche sowieso einen
Freiwilligen … «, antwortete Freedman und legte ein Grinsen auf, das man normalerweise nur bei Katzen sieht, die ihre noch lebende Beute in der Pfote halten. Mit seinen über 1,80 Metern Größe, den quasi nonexistenten Pupillen und dem sehnigen Körperbau, der extreme Schnelligkeit vermuten ließ, war Freedman auch so schon ein Anblick, der zumindest Respekt verlangte. So aber konnte er ein Anstarrduell gegen Chuck Norris gewinnen. Mitch erbleichte und versuchte, sich hinter seinem Stahlhelm zu verstecken. »Nichts besonderes. Die Bastarde im Hauptquartier wollen uns keine Drohnen mehr schicken, nachdem die letzte abgeschossen wurde. Ich brauche einen Scout.«
Mitch seufzte. Scouten hieß bei Freedman › Töte alles was du siehst und zähl die Leichen‹ . Und das hieß wiederum bei Mitch: Keine Medikamente für die nächsten Stunden. »Ja, Sir.« Er stand auf, setzte den Stahlhelm auf und suchte seine Ausrüstung in seiner Ecke der Höhle, in der sich das Platoon seit zwei Tagen verschanzt hatte. Ursprünglich hätten sie hier nur auf eine kurze Patrouille gehen sollen, aber nachdem der Widerstand härter als erwartet war, hatte Freedman kurzerhand befohlen, sich einzugraben und einen Angriff auf das Lager der Aufständischen durchzuführen – › Rückzug‹ \ war kein Bestandteil seines aktiven Wortschatzes. Sein Vorgesetzter stimmte bedenkenlos zu – Nach Mitchs Vermutung hauptsächlich, um Freedman zumindest ein paar Tage, mit etwas Glück sogar dauerhaft loszuwerden. Freedman schaute zu, wie Mitch seine Sachen packte und schaltete sein Funkgerät ein. »Samuel, Damian, aufwachen. Mitch geht auf Aufklärungsmission, drei Meilen nach Nord–Nord–Ost. Samuel gibt Feuerschutz aus hundert Metern Entfernung«, diktierte er und hörte sich die Antwort an. »Darum. Damian soll aufpassen, dass du diesmal nicht aus Langeweile Zivilisten tanzen lässt. Munition ist teuer«, antwortete er schließlich grinsend.
Der eher schmächtige Mitch schulterte ächzend seinen Tornister und das M249 und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang.
Noch näher am A**** der Welt, zwei Stunden später
Creshal ließ den Blick über die Landschaft wandern und seufzte. Wo waren die Gegner, wenn man sie mal brauchte? Vor zwei Tagen waren sie ungefähr hier in einen Hinterhalt geraten – die Wracks ihrer Humvees (wovon einer nur aufgrund eines Motorschadens aufgegeben werden musste, Treffer hatte er so gut wie keine eingesteckt) sprachen eine deutliche Sprache. Weiter nördlich war der sich hektisch umschauende Mitch zu erkennen, der wohl gerade Wahnvorstellungen durchstand, weil es zu ruhig war. »Damian, Meldung an Cole. Keine Gegner in Sicht, Mitch mit den Nerven am Ende und ich brauch nen Kaffee. Macht wenig Sinn, hier weiter rumzustolpern«, sagte er über die Schulter und ging weiter in Richtung des noch halb intakten Humvees, während Damian mit dem Funkgerät kämpfte. Eventuell ließ er sich wieder flott machen, und mit ganz viel Glück würde vielleicht noch irgendwo ein MRE mit einem Kaffee rumlie …
Er stolperte in ein sich plötzlich öffnendes Loch. Creshal versuchte sich im Fallen abzurollen und ließ seine Waffe fallen – und blickte in die Mündung einer Kalaschnikow. »Ähm … ich ergebe mich?«, sagte er versuchsweise in gebrochenem Arabisch und hob die Hände. Die Iraker, die aus ähnlichen Sandlöchern und den Humvees gekrochen kamen, nahmen ihm und Damian die Waffen ab und verschnürten die Beiden zu handlichen Paketen.
Mitch, der über Funk mitbekommen hatte wie Damian plötzlich schreiend hinfiel, warf sich hinter der nächsten Düne in Deckung und zielte mit seinem MG hektisch in alle Richtungen. »Damian? Samuel? Hallo? … irgendjemand?«, fragte er wimmernd ins Funkgerät und zielte auf die dunklen Punkte, die hinter ihm sichtbar waren. Als ein Windstoß den Sand neben ihm in Bewegung versetzte, schrie er auf und feuerte blind in die Düne. »Kenneth? KENNETH!?«, dröhnte die Stimme von Freedman aus dem Funkgerät und Mitch ließ vor Schreck die Waffe fallen. »Der Sand hat zuerst geschossen! Ich schwöre!«, wimmerte Mitch und rollte sich zu einer Kugel zusammen, während er die Verwehung, deren Einschusslöcher langsam zugeweht wurden, nicht aus den Augen ließ. Der Sand starrte ihn unschuldig an und Mitch schluckte. » … nagut. Er
hätte geschossen, wenn ich ihm die Gelegenheit gegeben hätte«, wimmerte er, als er den anklagenden Blick nicht mehr aushielt. »Davon bin ich fest überzeugt«, antwortete Heyl betont ruhig über Funk. »Und jetzt atmest du tief durch, nimmst die rote Pille und erzählt dann ganz langsam, was passiert ist.«
Freedman trommelte unruhig auf einer Tellermine, während Heyl versuchte, aus dem erst verängstigten, und dann highen Mitch sowas wie einen Lagebericht zu bekommen. Das einzige, was sie bisher mit Sicherheit wussten, war dass a) die Iraker noch lebten und sie b) Samuel und Damian hatten – tot oder lebendig. Nach einer guten Viertelstunde schaltete Heyl das Funkgerät ab und schaute Freedman fragend an. Der stand auf und winkte die übrigen Anwesenden – Jack › the Ripper‹ \ Maverick, ein Zwei-Meter-Riese mit einer Vorliebe für passend proportionierte Waffen und die Sonata-Zwillinge – her. »Alles einpacken, wir brechen auf. Entweder die Iraker haben die beiden getötet, dann sollten wir den Bastarden zeigen was für eine schlechte Idee sowas ist. Oder sie foltern Damian und Samuel gerade, dann sollten wir sie besser rausholen, bevor es ungemütlich wird. Um 1330 will ich Kenneth aufgesammelt haben und auf dem Weg zum feindlichen Lager sein.«
Maverick nahm sein M60 und schaute Heyl zu, wie er seine Ausrüstung packte. Ein sinnliches Lächeln stand auf seinem Gesicht, als er den Bewegungen des schmächtigen Mediziners zusah und … »Maverick, hör auf zu sabbern«, unterbrach ihn Patrick Sonata und verstaute seine Kampfmesser in den Uniformtaschen. Er und sein Zwillingsbruder sahen noch am ehesten wie stereotype GIs aus, was Maverick auch nicht schlecht gefiel. »Meldest du dich freiwillig als Ersatz?«, antwortete er spöttisch und machte sich auf den Weg nach draußen. »Nur in deinen Träumen … «, brummten die Sonatas gleichzeitig und folgten ihm mit einigen Metern Sicherheitsabstand. Draußen angekommen zog Maverick Heyl zur Seite. »Du bleibst bei mir«. Heyl seufzte. »Zum letzten mal: Nicht interessiert.« – »Eigentlich meinte ich, dass du dich aus dem Gefecht raushalten sollst, damit wir nicht am Ende noch eine Person retten müssen.« Heyl errötete leicht. »Für was hältst du mich? Ich bin kein Rookie mehr.« – »Basra. › Not-OP‹ \ im Sperrfeuer. Noch Fragen?« Heyl wurde noch röter im Gesicht und scharrte verlegen mit den Füßen. » … Nagut.«
Irgendwo bei einem kleinen Kaff nordöstlich, 15 Uhr Ortszeit
»Und? Irgendwas zu neues?«, fragte Freedman, während er seine Taschen systematisch nach neuen Zigaretten durchsuchte. Greeve Sonata schüttelte den Kopf und reichte ihm eine Zigarette, die er ihm eine Stunde vorher entwendet hatte, als er den Auftrag bekommen hatte, das nahegelegene Dorf zu durchkämmen. »Nicht viel. Verdächtig geringe Frauen– und Kinderquote, könnte ein gut getarntes Lager sein. Vielleicht auch nicht. Von den beiden habe ich jedenfalls nichts gefunden. Kaffee ist jedenfalls noch keine Mangelware«, sagte er dann um Freedman davon abzuhalten, über die Herkunft der Zigarette nachzudenken. »Vielleicht, vielleicht auch nicht … am Popo«, nuschelte er, während er die Zigarette mit seinem M16 anzündete. »Macht das Dorf dem Erdboden gleich, wenn die Bastarde die Geiseln noch haben, werden sie sich schon melden und verhandeln wollen«, sagte er und nahm einen tiefen Zug. »Time to kick asses and chew gum. And I'm all outta gum.«
Die schläfrige Stille des frühen Nachmittags wurde unterbrochen, als Maverick sein Mk19 (»Ich nenne sie … Vera«) sprechen ließ. Der von einem Humvee abmontierte Granatwerfer spuckte ein halbes Dutzend Geschosse pro Sekunde aus und zerfetzte Mit Chirurgischer Präzision™ (© US-Verteidigungsministerium) Autos, Hauswände und Menschenmengen. Als der Beschuss nach ungefähr einer halben Minute eingestellt wurde, um den mittlerweile rotglühenden Lauf zu wechseln, sammelten sich die Verteidiger so langsam und begannen damit, die schwer einsehbare Stellung des Schützen mit Kalaschnikows und Raketenwerfern unter Beschuss zu nehmen. Erst zu spät bemerkten sie, dass gleichzeitig andere unheilige Amerikaner durch die Trümmer und den Blutmatsch schlichen – die meisten Mujaheddin kamen zu dieser Erkenntnis erst nach ein oder zwei Schüssen in den Rücken. Nach ungefähr fünf Minuten, als Maverick den Beschuss planmäßig wieder aufnahm, war das Chaos perfekt und die Sonatas konnten ungehindert durch die Stadt schleichen, während Freedman weiterhin »Unruhe stiftete«, wie er es nannte, und die Bevölkerung effektiv und nachhaltig dezimierte.
»Weißt du … Towarisch … die Genfer Konvention ist eine feine Sache. Aber wenn ihr meint, dass sie für uns nicht gilt, warum sollten wir uns dann dran halten?« Das Klicken einer geladenen Marakow. »Weil wir die *** U. S. Army sind. Na komm schon, trau dich! Aus uns bekommst du eh nichts raus!« Ein Schuss. Ein zweiter. Ein dritter. Ein leises Stöhnen. »Verdammte Russlandamis. Glauben die eigentlich, dass die Eier aus Stahl haben? Lasst ihn noch ein bisschen bluten, der andere sollte jetzt etwas gesprächiger sein. Und Achmed, schau nach was das da oben für ein Krach ist. Wenn Ali schon wieder seine Alte verprügelt, kann er morgen barfuß das Minenfeld aufräumen, sag ihm das.« Die Marakow klickte erneut. Ein leises Wimmern. »Ich sage euch alles was ihr wissen wollt! Ehrlich!«
»MAIM! KILL! BURN!«, summte Freedman, warf eine Handgranate in ein offenes Fenster und schnitt einer herumliegenden Leiche den Kopf ab. Während die Granate detonierte und die wenigen Überlebenden langsam verbluteten, vertrieb er sich die Zeit damit, mit seiner improvisierten Handpuppe ein paar Sketche mit › Achmed‹ \ nachzustellen. Als auch das letzte Röcheln verstummte, warf er den Kopf durch die Tür und schaute sich im Gebäude um. Nichts, wie in den anderen. Gut, in einer Ecke standen ein paar verdächtige Dünger- und Zuckersäcke neben leeren Raketenrohlingen, aber die Herstellung von Kurzstreckenraketen war hier schon als traditioneller Nebenerwerb zu betrachten. Er wischte sich die blutigen Hände achtlos an einem Wandteppich ab und schaltete das Funkgerät wieder ein. »Cole an alle. Irgendwas neues?« – »Maverick hier. Widerstand ist zusammen mit der Infrastruktur zusammengebrochen, die Überlebenden haben sich allesamt verschanzt.« – »Patrick hier. Wir haben ein paar Gebäude entdeckt, die so aussehen, als könnten sie einen Keller haben. Wenn es hier noch irgendwas gibt, dann dort drin. GPS-Koordinaten folgen.« Freedman grinste, zündete sich eine gefundene Zigarre an einem brennenden Teddybär an und machte sich summend auf den Weg.
»And the army goes rolling along, proud of all we have done … «
Ein Schlag, Metall auf Fleisch. Ein Wimmern. »Eine Felsengruppe im Süden.« – »Wie weit? Wie viele Leute?« Ein Ächzen. » … Verräter.« – »Mehmed, sorg dafür dass der Russe die Schnauze hält. Schieß sie ihm notfalls aus dem Gesicht, ich hab genug von seinem Kauderwelsch.« Das leise Surren eines Messers beim Schärfen. Schritte. Ein Schnitt, langsam und tief. Unterdrücktes Stöhnen. Ein Tritt in etwas
weiches. Ein lautes Stöhnen. » … nagut, Russe, du willst es nicht anders.« Ein Klicken. »Sag du mir wo euer Stützpunkt ist und wie groß eure Einheit ist, oder dein Genosse hier stirbt.« – » … Träum weiter, Sandfresser.« Ein Schuss. »DAMIAN!«
»Ist es das?«, fragte Freedman leise, als er um eine Hausecke spähte. Die Sonatas nickten. »Aye. Definitiv ein Keller, Haustür innen aus Metall, Fensterläden halbwegs kugelsicher. Das Haus schreit geradezu › Geheimstützpunkt‹ .« Freedman lud vier seiner Schrotflinten nach und nickte den beiden Zwillingen zu. »Angriff!«
In der Literatur findet man manchmal den etwas euphemistischen Ausdruck › Er zog in die Schlacht, um den Tod zu suchen‹ . Bei Freedman traf das auch zu – in gewisser Weise. Wenn er den Tod suchte, dann um ihm so lange ins Gesicht zu schlagen, bis dieser um Gnade bettelte. Mit Schrotflinten in beiden Händen sprang er durch die aufgesprengte Tür und verteilte damit die Köpfe der drei Wachen auf die gegenüberliegende Wand. Während die Leichen noch umkippten, stürmten die Sonatas mit Messern und Colts in den Händen vor in die beiden anderen oberirdischen Zimmer des Gebäudes. »Rechter Raum gesichert!«, rief Patrick aus dem einen und positionierte sich wieder an der Tür. »Linker Raum gesichert, Kellertür gefunden!«, kam es aus dem zweiten. Dann ein leiser Schuss, und ein Schrei, der eindeutig von Creshal stammte. Freedman und Patrick Sonata warfen sich einen Blick zu und stürmten in den anderen Raum.
Ein lauter Knall, als eine Tür aufgesprengt wurde. Das laute Bellen von Schrotflinten, durchbrochen vom rostzerfressenen Stakkato von Kalaschnikows, die eindeutig bessere Jahrtausende gesehen hatten. Das Stöhnen von Verwundeten. » … sch****, Sam, was haben die gemacht?« Greeve kniete sich vor Creshal hin und nahm ihm die Augenbinde ab. »Nur ein paar Fleischwunden … die meisten 9mm. Halb so wild, Heyl kann sich drum kümmern. Was ist mit Damian?«, sagte Creshal langsam und versuchte aufzustehen. Freedman schaute nachdenklich auf die Leichen der beiden Verhörer, und schoss noch ein paar mal in die Köpfe. »Ziemlich tot. Nichts was wir dran ändern könnten. Jetzt sollten wir nur zuschauen, dass wir hier rauskommen. Du siehst ziemlich mitgenommen aus.« Freedman musterte Creshal verstohlen – Robuster Körperbau (»Echte Russen haut nichts um! Abgesehen von Fensterreiniger im Wodka«) hin oder her, die Schusswunden im Oberkörper und die Schnittwunde quer über das Gesicht von einem Ohr zum anderen sahen böse aus. Nur die stahlblauen Augen sahen noch lebendig aus. Die Sonatas hoben Creshal hoch und trugen ihn nach draußen.
Drei Tage später, im Hauptquartier der Koalitionstruppen im Irak
»Drei Humvees zerstört. Ein Mann KIA, einer WIA und einer traumatisiert. Also, noch traumatisierter als vorher. Und was zur Hölle hat es mit dem rot lackierten Mk19 mit der Aufschrift › Vera‹ \ auf sich? Na, egal, weiter im Text … Dreihundert Leichen so stark verstümmelt, dass ich nicht sagen kann, ob es wirklich Kombattanten oder Zivilisten waren. Bei einigen bin ich mir nichtmal sicher, ob es Menschen oder Kamele waren. Weitere zweihundert erdolcht, erschlagen, an Zigaretten erstickt oder nur ein bisschen zu Matsch zerschossen«, sagte General Gomery und lief nachdenklich hinter seinem Schreibtisch auf und ab. »Ich weiß nicht, ob sie auf der Stelle erschießen oder ihnen einen Orden verleihen soll. Am besten beides in dieser Reihenfolge.« Freedman zuckte mit den Schultern, zündete ein Streichholz am Namensschild seines Vorgesetzten an und steckte sich die nächste Zigarette an. »Erzählen sie mir zur Abwechslung mal etwas neues.« Gomery drehte sich um. »Gut, überspringen wir den Part mit dem Moralappell. Sie bleiben im Hauptquartier, bis Corporal Creshal genesen ist und Private Heyl Damians Eltern die offizielle Todesnachricht überbracht hat, danach wird die gesamte Einheit strafversetzt. Irgendwohin, wo Sie keinen Ärger machen können. Antarktis oder so, ich such mir bis dahin ein lauschiges Plätzchen aus. Wegtreten, von mir aus vor den nächsten Panzer.«
»I like it. It's like people sushi.«
11. Oktober, Bagdad, Bar › Exile‹ , 22 Uhr Ortszeit
»Hi.« – »Privet.« – »Ähm … ja. Gehörst du zur Armee?« – »Aye, Ma'am.« – »Cool! Und, was machst du so?« – »Ich töte Menschen.« – »Ah … ja … « – »Ich mag, es Menschen zu töten.« – »Erm … Möchtest du einen Drink?« – »Nein, dieser Saftladen hat nichts, was mir schmeckt.« – »Was trinkst du so?« – »Menschenblut. Warm.« – » … ich muss weg.«
Die junge Frau stand mit einem verwirrten Blick von ihrem Barhocker auf, und wackelte auf ihren Stöckelschuhen in Richtung der Tische am anderen Ende der Bar, in der Hoffnung dort etwas normalere Betrunkene zu finden. Der Soldat an der Bar schaute ihr einige Sekunden hinterher, und stürzte sich dann auf ihr halb leeres Glas, das sie stehen gelassen hatte. »Deine Art, mit Frauen umzugehen, ist immer wieder beeindruckend, Sam.« Samuel Creshal drehte den Kopf in Richtung der Stimme, und versuchte, zu salutieren – bei seinem Alkoholpegel eine schlechte Idee.
»Ich bin eins mit dem Boden. Wohoo!« Heyl schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und machte sich daran, Creshal wieder in eine halbwegs aufrechte Lage bringen.
» … Geht wieder, danke. Russische Leber und so. Nach 5 Minuten bin ich komplett nüchtern«, nuschelte Creshal hinterher und machte sich über den Kaffee her, den Heyl zwischendurch bestellt hatte. »Also, was ist los? Normalerweise bist du doch noch seltener in Bars als ich?« Heyl reichte ihm wortlos ein Blatt Papier. »Gomery hat seine Drohung wahr gemacht. Das komplette Squad wird nach Korea strafversetzt. Unser Flug geht um 3 Uhr morgens, damit wir noch abends zur Nachtwache antreten können.« – » … wir müssen in fünf Stunden los? **** it«, fluchte Creshal und stand, noch etwas unsicher, auf. Heyl seufzte, warf ein paar Dollar auf die Theke und legte Creshals Arm um seine Schulter. » … danke, nein. Jetzt komm.« Unter der Last des 1,90 Meter großen Russen ächzend, wankte er in Richtung Ausgang.
General Gomery konnte es sich nicht verkneifen, seinen Lieblingsfeind persönlich zu verabschieden. Mit seinen vollen 200 Kilogramm Lebendgewicht stand er auf dem Flugfeld, und schaute zu, wie sich das übermüdete Squad über den Platz schleppte. »Nun, meine Herren«, begann er lächelnd, als sich Freedman und sein Squad in Habacht-Stellung bemüht hatten, »Es war mir eine … Freude, ihre Versetzungspapiere zu unterschreiben. Auf dass wir uns nie wiedersehen. Wegtreten!« Freedman überlegte kurz, dann zuckte er mit den Schultern. »Wenigstens waren Sie ehrlich. Immerhin.« – »Immer doch.« – »Darf ich auch ehrlich sein? Lecken Sie mich!« Gomery lief tiefrot an. » … Wegtreten, oder ich trete dich in die Flugzeugturbine.« Freedman grinste, verneigte sich spöttisch, und schlenderte zusammen mit dem Rest der Truppe in das wartende Flugzeug.
12. Oktober, Südkorea, Flughafen Seoul, 15 Uhr Ortszeit
»Yay, Asien! Sushi! Sake! Yaoi-Hent … -Autsch!« Mitch rieb sich die Stelle, an der ihn der Lauf von Creshals M14 getroffen hatte. »Okay, schon gut. Streichen wir den letzten Part.«
Man hatte sie direkt nach ihrer Ankunft in einer Baracke am Stadtrand einquartiert, am nächsten Tag sollte es nach Munsan an der Grenze zu Nordkorea gehen. Der Atomtest Nordkoreas war erst drei Tage her, die offizielle Androhung eines Atomkriegs zwei Tage. Trotz aller offiziellen Beteuerungen, dass man Weltfrieden auf einmal für ganz toll halte und Diplomatie jetzt doch gut fände, bereiteten die USA einen Erstschlag vor, falls Kim auf dumme Gedanken kommen sollte (also, noch dümmere als bisher). Die Atomraketen warteten in ihren mobilen Abschussbasen, an gut geschützten Plätzen neben Krankenhäusern oder Kindergärten, damit die Medien wenigstens eine gute Story hatten, falls die Koreaner sie ausschalteten. Es versprach, eine strahlende Zukunft zu geben.
Zwei Tage später, Munsan
Die Lage hatte sich erwartungsgemäß nicht stabilisiert. Die Sesselwärmer der UN diskutierten immer noch über ihre heißgeliebten Wenns und Abers, und die lokalen Militärs versuchten mit frischem Elan, Zwischenfälle zu provozieren, um die Situation eskalieren zu lassen. Die Mobilmachung war in vollem Gang, Freedmans Squad spürte davon aber noch wenig.
Freedman schaute zu, wie Creshal und Heyl Schach spielten, und säuberte sein M16. »Draußen steht der dritte Weltkrieg an, und wir sitzen hier und können nichts tun … Verdammt!« Er schlug wütend auf den Tisch – was einen Schuss löste, der sauber durch den schwarzen König ging. » … Schachmatt?«
Freedman duckte sich unter dem Geschosshagel aus Schachfiguren und Kartoffelchips hinweg und ging zum Fenster. Draußen fuhren einige Abrams-Panzer der 2. Brigade zusammen mit koreanischen K1A1 der 3. Armee vorbei in Richtung des Wartungsbereichs, um Tarnlackierung und Zusatzpanzerungen verpasst zu bekommen. In seinen Taschen nach einer überlebenden Zigarette kramend, schaute er zu, wie weitere koreanische Panzer, diesmal ältere M48, vorbeirollten. Als Freedman sich gerade die Zigarette anzünden wollte, stutzte er. Ein einzelner BTR-60 rumpelte vorbei. »Seit wann benutzt Südkorea den BTR-60?«, nuschelte er und atmete den Rauch tief ein. Greeve Sonata blickte von seinem Manga auf und runzelte die Stirn. »Gar nicht. Nordkorea hat welche, aber Südkorea benutzt amerikanische IFVs.« – »Vermutlich Schulungsmaterial. Zeigen, wo die Schwachstellen sind, Beschusstests und so. Nach der Wende haben wir dafür auch russische Panzer gekauft«, ergänzte sein Bruder, ohne vom Fernseher wegzuschauen. »Ein Jammer. Die russischen Panzer sind viel besser als die Umluftherde namens Abrams«, brummte Creshal und machte sich daran, die Figur wieder zusammenzukleben. »Oh, gib endlich Ruhe. Die T-90 rosten doch schon, wenn du sie schief anschau–«, fing Freedman an und unterbrach sich, als Creshal ihm die Zigarette aus der Hand schoss. »Hey! Das war meine letzte Zigarette!«
Er hatte gerade seine Pistole gezogen und auf Creshal gerichtet, der wiederum mit dem M14 im Anschlag stand, als die Tür aufging und Lt. Voigt hereinkam. » … Störe ich bei irgendwas?« – »SIR, NEIN, SIR!« – »Gut, mitkommen. Wir haben Arbeit für sie.«
Besprechungsraum 3-A, Hauptquartier der US-Garnison in Korea
Voigt deutete auf eine Karte, auf der die Stellungen der Armeen in Korea eingetragen waren. »Situation: Wir vermuten, das die Nordkoreaner, unterstützt von chinesischen und russischen › Freiwilligenverbänden‹ \ einen Großangriff auf Südkorea planen, mit Der Bombe in der Hinterhand, um eine Einmischung anderer Länder zu verhindern. Da wir keine Lust drauf haben, den Kommies den Gefallen zu tun, werden wir zuerst angreifen. Laut Geheimdienstberichten sind im Raum Kaesong«, er deutete auf eine Stadt westlich der Grenzstadt Panmunjom, am Rand des Gebirges, »mehrere Raketenbatterien stationiert, die eventuell atomare Sprengköpfe haben könnten. Das Ziel ist es, diese Batterien auszuschalten und festzustellen, ob sie atomare Bewaffnung tragen. Drei Kompanien Marines werden von Incheon aus einen amphibischen Angriff auf das Flussdelta südwestlich durchführen, um eventuelle Verstärkung abzufangen. Den Hauptangriff werden die 10. Mountain Division und die 2. Infantriebrigade durchführen, während die ROKA und JGSDF mit 600.000 Mann im Osten der Halbinsel versuchen, sich an der Linie Ichon–Wonsan im Gebirge einzugraben.
Es dürfte klar sein, dass selbst die Knoblauchfresser genug Resthirn haben um den Plan zu erkennen, deswegen wird ihr Squad eine besondere Rolle übernehmen: 2 Stunden nach Beginn der Offensive im Raum Panmunjom werden sie mit einem BTR-60 in Richtung Kaesong fahren. Sie sollen die Rolle eines versprengten russischen Trupps spielen, der per Zufall dem Angriff und unseren Bombern entkommen konnte. Versuchen sie, dem Artilleriebattalion zugeteilt zu werden und schauen sie sich um. Sollten sie Atomwaffen finden, kontaktieren sie uns und versuchen sie, die Stellung so lange zu halten bis wir Kampfhubschrauber vor Ort haben, die die Waffen abtransportieren können. Einfach zerstören bringt nichts, solange die Koreaner das Uran mitnehmen können, können sie daraus eine neue Bombe bauen. Alles klar soweit?« – »Sir, ja, Sir!« – »Wunderbar. Der BTR-60 sollte in zwei Stunden einsatzbereit sein, sie brechen um 0100 zur Front auf. Wegtreten.«
Heyl packte seine Sachen zusammen und legte die improvisierte russische Uniform an. »Das ist ein Himmelfahrtskommando«, murmelte er. Maverick lachte und setzte sich die Pelzmütze auf. »Wer uns töten will, muss erst an Freedmans Ego vorbei. Da helfen auch keine Atombomben.« – »Indeed. Time to kick asses and chew gum … « – »And you're all outta gum?« – »Nein, einen Streifen habe ich noch. Glück für dich«, sagte Freedman kauend und schraubte das Bajonett auf die Kalaschnikow. »Was willst du mit einem Bajonett in einem Fahrzeug?«, fragte Greeve Sonata verwirrt. »Rausspringen und töten.« Greeve seufzte. »Warum habe ich überhaupt gefragt?«
15. Oktober, Koreanische Halbinsel, 38. Breitengrad, 3 Uhr Ortszeit
Der Angriff begann mit einem Punktbombardement amerikanischer und südkoreanischer Flugzeuge sowie amerikanischer Schlachtschiffe auf die nordkoreanischen Grenzbefestigungen – mit mäßigem Erfolg. Ein derartiges Vorgehen war abzusehen gewesen, alle Stellungen waren tief ins Gebirge gegraben oder bestanden aus massiven Bunkern – nur die stärksten Bunkerbrecher waren in der Lage, Schaden anzurichten, und die waren aus Kostengründen nicht ausreichend verfügbar.
Zu dieser Erkenntnis kamen allerdings erst die Bodentruppen, als sie von wütendem Sperrfeuer empfangen wurden. Als Creshal zwei Stunden später den BTR-60 in die demilitarisierte Zone fuhr, erinnerte das Gelände an eine Mondlandschaft – übersät mit Kratern, zerstörten Fahrzeugen und deutlich zu vielen Leichen. »Lecker. Ich liebe den Geruch von Leichen am Morgen«, sagte Freedman und spähte aus einer Sichtluke. »Hier dürften wir richtig sein. Unsere Truppen sind von hier aus nach Norden abgebogen, um Kaesong einzukesseln, und die Sicherungstruppen sind hinter uns. Südwestlich am Berg vorbei und dann zurück auf die Straße« – »Da, towarisch.« Der BTR–60 beschleunigte und bretterte zwischen den Wracks zweier M113 durch. » … Creshal?« – »Da?« – »Kannst du das nächste mal einen Bogen um Leichenberge machen?« – »Pachimu?« – »Ach, nur so«, sagte Mitch, wischte sich den blutverschmierten Finger vom Gesicht und kippte um.
Zehn Minuten später hatten sie die nordkoreanischen Truppen erreicht, die sich auf halber Strecke zwischen Stadt und Grenze an einer Brücke verschanzt hatten. Creshal sprang aus dem Schützenpanzer und unterhielt sich lautstark mit den Wachtposten, die ihm still zuhörten und ihm dann eine Richtung zeigten. Grinsend stieg er wieder ein. »Sie haben mir die Geschichte abgekauft, wir sollen uns an der südlichen Flanke halten. Ansonsten keine weiteren Fragen.« Freedman nickte und deutete auf den Sitz des Funkers. »Am besten du übernimmst den Posten, Heyl kann den Panzer fahren.«
Weitere zwanzig Minuten später griffen wie geplant schwache amerikanische Verbände die Stellung an. »Okay, **** it. Wir bleiben im Hintergrund, bis die Kommies sich zurückziehen. Gebt ein paar Warnschüsse ab, aber sonst nichts.« – »Njet. Befehl von oben, wir sollen angreifen, ansonsten rollen unsere Köpfe. Und wenn wir angreifen, rollen auch unsere Köpfe, unsere Truppen wissen nämlich nicht, in welchem BTR wir stecken. Und jetzt?« – »Haben die Kommies hier Verbindung zur Außenwelt?« – »Njet, nur die Funkgeräte in den anderen BTRs, und die kommen nicht weit. Elektronik wird hier kaum produziert.« – »Gut, Planänderung«, sagte Freedman und grinste. »EXTERMINATE EVERYONE!«
Pak Hong-won staunte nicht wenig, als der vermeintlich russische BTR, der sie eigentlich unterstützen sollte, plötzlich um 180 Grad drehte und auf ihre Linie zuhielt. Zu weiteren Reaktionen reichte es nicht mehr, denn in diesem Augenblick eröffnete Maverick das Feuer aus dem Turm-MG und zerfetzte Hong-wons Körper, kurz bevor der BTR mit seinen vollen 12 Tonnen Gefechtsgewicht über ihn rollte und seinen Körper zu blutigem Dünger reduzierte.
Im selben Augenblick sprangen die Sonatas, mit Messern und Schrotflinten bewaffnet, aus dem fahrenden Fahrzeug und erledigten methodisch die restlichen Soldaten der Stellung.
Heyl kurbelte heftig und zwang den BTR in eine enge Kurve, die den Schützenpanzer parallel zur Stellungslinie der Nordkoreaner brachte. Mitch und Creshal beschossen die Truppen aus ihren Sichtluken, während Maverick weiterhin mit dem Turm-MG Tod und Vernichtung säte. »Himmel, habt ihr Russen noch nie was von Servolenkung gehört?«, ächzte Heyl und kämpfte weiter mit der Lenkung. »Servolenkung ist für Weicheier«, antwortete Creshal und warf zwei Granaten nach draußen, die neben einer Munitionskiste detonierten und die nebenstehenden Truppen mit tödlichen Splittern vollpumpten. Freedman stand währenddessen mit einer Axt in der Hand in der Tür und hieb damit auf alles ein, was dem Panzer zu nahe kam. »Yeeha! Das ist wie Sushi mit Menschen! – ****, feindlicher BTR auf 9 Uhr! Maverick, Feuer!« Maverick stand auf und zwang sich neben Freedman in die Luke. »Keine Munition mehr. Zeit für Plan B.« Er sprang aus der Luke, rannte auf den BTR zu und sprang aufs Dach. Mit einer Hand das Turm-MG festhaltend, zielte er und schlug zu. Die rostzerfressene Panzerung zerbrach in Stücke und Mavericks Faust traf den verblüfften Fahrer am Kopf, der unter der Wucht zerplatzte und den Rest der Besatzung mit Blut und Gehirnfetzen bespritzte, während Maverick schon damit beschäftigt war, die Besatzung methodisch zu zerreißen. Als niemand mehr lebte und der Boden des Schützenpanzers kniehoch mit Blut bedeckt war, sprang Maverick aus dem Wrack und betrachtete seine Fingernägel. »Himmel, nicht noch ein gesplitterter Fingernagel. So langsam wird es lästig.«
Eine halbe Stunde später war alles vorbei. Mehr durch den Überraschungsangriff (und Mavericks einmalige Aktion) als durch die eigentlichen amerikanischen Truppen kollabierte die Front, und die wenigen Überlebenden wurden gefangen genommen.
Währenddessen war der BTR wieder unterwegs, in Richtung Kaesong …
»Someone called for an exterminator?«
15. Oktober, Kaesong, Südrand, 12:30 Uhr Ortszeit
Freedman wäre am liebsten auf und ab gelaufen, was die beengten Verhältnisse im BTR (der von Maverick inzwischen auf den Namen »Betty« getauft worden war) aber nicht zuließen. »Nicht gut. Gar nicht gut.« Er zündete sich die dritte Zigarette in zehn Minuten an, was Creshal dazu veranlasste, die Entlüftungsanlage weiter aufzudrehen. »Wir sind jetzt schon vier Stunden hier, und noch immer nichts neues. Viel länger kann das HQ unsere Truppen nicht zurückhalten, ohne dass es auffällt. So langsam müssen wir Ergebnisse erhalten.« Greeve Sonata zuckte müde mit den Schultern. »Und wie? Wir können nicht einfach aussteigen und › Hey, haben die Raketenwerfer im Stadtzentrum zufällig nukleare Sprengköpfe?‹ fragen«, sagte er mürrisch. Creshal grinste plötzlich. »Nein, aber wir können sie herholen. Wer weiß von den normalen Fußsoldaten am ehesten darüber Bescheid? Techniker. Es fällt niemandem auf, wenn wir ein paar Techniker herbestellen, um Schäden an unserem Fahrzeug reparieren zu lassen.« Er setzte sich ans Funkgerät und führte eine längere russische Diskussion mit dem nordkoreanischen Oberkommando, während Heyl den Panzer in die Nähe des Wartungsbereichs fuhr und so tat, als versage der Motor auf halbem Wege, bequemerweise nahe am Sperrbezirk, in dem die Raketenbatterien standen.
Nach zehn Minuten kamen drei koreanische Techniker an. Wong Il-Pak, Chef des kleinen Trupps, schickte seine Gehilfen nach einem kurzen Blick wieder weg, um Ersatzteile zu holen – der BTR war in einem lausigen Zustand. Kein Wunder, angesichts der Tatsache, dass er seit 1990 in einem deutschen Depot vor sich hingerostet hatte, was Wong aber nicht ahnen konnte.
Schlechte Vorahnungen bekam er erst, als eine Luke aufgemacht wurde und er ins Innere gezogen wurde. Drei Europäer hielten ihm Waffen ins Gesicht, und einer von ihnen, der eine beeindruckende Narbe quer über das Gesicht hatte, fing an zu grinsen. »Ich schlage vor, dass du dich ruhig verhältst, und uns schnell alles erzählst, was wir wissen wollen«, sagte er auf russisch und ließ sich von jemandem außerhalb von Wongs Sichtfeld ein Messer reichen. Wong schüttelte den Kopf, so gut es in der Umklammerung ging. Für wen hielten diese Kapitalistenschweine ihn? Er hatte einen heiligen Eid geschworen, und er würde eher sterben als ihn zu brechen.
Creshal wartete noch einige Sekunden, ob sich der Koreaner umentschied, und zuckte dann mit den Schultern. »Deine Entscheidung.« Die Sonatas krempelten einen Uniformarm des Opfers hoch, und Creshal began, einen briefmarkengroßen Hautfetzen auszuschneiden und danach abzuziehen, während Maverick sich darum bemühte, den Koreaner ruhig zu halten.
Wong dämmerte langsam, dass ein glorreicher und ehrenvoller Tod nicht unbedingt ein schmerzfreier war. »Ich rede ja schon!«, wimmerte er und der blonde Amerikaner winkte einem Arzt zu, der daraufhin seine Wunde versorgte. »Wir können dieses Spielchen wiederholen. Wir haben einen guten Arzt hier, wir können dich
sehr lange am Leben erhalten, während du leidest. Alles klar? Gut, dann sag uns was zur Raketenartillerie. Können sie Atomsprengköpfe verschießen? Gibt es Atomwaffen in der Stadt?« Als Wong keine Antwort gab, hielt der Sprecher ihm den blutverschmierten Hautfetzen vors Gesicht. »Ja! Ja! Wir haben drei kleine Atombomben aus Russland bekommen! Sie werden in einem Haus am Rand des Stadtparks aufbewahrt!"
Als Wongs Gehilfen einige Minuten später eintrafen, wunderten sie sich, dass er ihnen aus dem Wagen zuwinkte. Als sie zur Luke traten, wurden sie wie zuvor er gepackt, gefesselt und geknebelt und hinten im BTR verstaut, der daraufhin Fahrt aufnahm und sich in Richtung Stadtpark bewegte, während Freedman dem Oberkommando das erwartete Signal gab. In etwa anderthalb Stunden würden die Transporthelikopter eintreffen, um sie zusammen mit den Bomben abzuholen, bis dahin mussten sie diese erobert und zur Mitte des Stadtparks geschafft haben – und solange durchhalten.
Kaesong, Stadtpark, 13:57 Ortszeit
Betty hatten sie (sehr zum Bedauern von Maverick) stehen lassen müssen, zusammen mit Mitch, der die Gefangenen bewachte. Etwas unwohl in ihren falschen russischen Uniformen gingen sie auf das von Wong beschriebene Gebäude zu, Creshal an der Spitze, um etwaige Fragesteller mit Unmengen russischer Flüche abzuwehren.
Als sie das einstöckige Gebäude erreichten, wurden sie von mehreren russischen Soldaten empfangen – diesmal richtigen. »Wo kommt ihr her? Wer seid ihr? Zu welcher Einheit gehört ihr?«, fragte ihr Anführer misstrauisch. Creshal überlegte kurz, und seufzte. »Falsche Frage, Towarisch«, sagte er leise, rammte ihm dann seine Pistole unters Kinn und drückte ab. Der Schuss ging glatt durchs Stammhirn, jegliche auch nur reflexhafte Reaktion verhindernd. Während der Anführer der Russen noch fiel, hatten die Sonatas schon ihre Messer gezückt und den anderen Wachen in die Kehle geworfen. Die heftig blutenden Leichen nicht beachtend, stürmte der Trupp ins innere des Gebäudes.
Mitch war unterdessen am Rande des Nervenzusammenbruchs (wiedermal). Alleine in einem engen Raum mit drei koreanischen Berserkern, die garantiert nur so taten, als wären sie gefesselt und darauf warteten, dass er ihnen den Rücken zudrehte, damit sie ihn töten konnten. Oder noch schlimmeres taten. Folglich hatte er einen Sitz umgedreht und starrte die drei Gefangenen permanent an. Das versprach noch eine lange Stunde zu werden...
Wong wünschte sich, er hätte doch den Mund gehalten. Die Wunde schmerzte mittlerweile heftiger als vorher, aber noch schlimmer war der Amerikaner, der ihn die ganze Zeit über anstarrte, um ihn zu ermorden. Oder schlimmeres zu tun. Wong wagte es nicht, wegzuschauen, aus Angst, dass der Amerikaner das schon als Grund sah, zu schießen.
Im Inneren des Gebäudes war es auffällig ruhig. Vor der Krise war es wohl ein Restaurant gewesen, jetzt hatte man die gesamte Inneneinrichtung aus dem Hauptraum entfernt. Drei schwere Bleicontainer mit dem gelb-schwarzen Trefoil an allen Seiten prangernd waren die einzige Einrichtung. »Okay, Problem: Wie kriegen wir die Dinger transportiert?«, fragte Heyl und kratzte sich am Kopf. »Selbst wenn wir die Sprengköpfe aus den Containern nehmen – was ich nicht empfehle – werden die trotzdem noch je fünfzig oder mehr Kilogramm wiegen. Schnell transportieren können wir sie nicht, und unauffällig erst recht nicht.« Freedman nickte und schaltete das Funkgerät ein. »Mitch, bitte kommen.«
Mitch zuckte zusammen, als das Funkgerät plötzlich summte, und wimmerte, als er sah, dass die Koreaner ebenfalls zusammengezuckt waren. Bestimmt hatten sie gedacht, dass sie ihn jetzt hätten überwältigen können. Er tastete sich zum Mikrofon vor und nahm es in die Hand, ohne den Blick von den Gefangenen zu lassen. »… Ja?« – »Planänderung. Wir brauchen einen LKW oder sowas in der Richtung. Schau dich um, ob es sowas in der Nähe gibt.« Mitch schluckte. »Geht nicht, Sir. Ich kann die Koreaner nicht aus den Augen lassen. Die töten mich sonst!«, wimmerte er. Er hörte, wie Freedman am anderen Ende der Leitung die Hand gegen die Stirn klatschte. »… Mach schon, oder ich finde heraus, wie ich dich über Funk schlagen kann.«
Am Ende schickten sie Creshal los, um einen LKW zu besorgen, der kehrte jedoch nach zwei Minuten zurück. »Schlechte Nachrichten. Anscheinend haben die Koreaner unsere toten Genossen bemerkt und das Gebiet umstellt. Mitch war immerhin so schlau Bettys Motor abzuschalten, bisher ignorieren sie den BTR noch. Lange wird er es dadrin aber nicht aushalten können. Wir vermutlich noch weniger lange, der Angriff dürfte gleich losgehen.« Freedman schaute auf seine Uhr. Noch eine Dreiviertelstunde, bis die Helikopter eintrafen, und es war nicht einmal dran zu denken, die Bomben abzutransportieren. »Na schön, wir dürften davon ausgehen können, dass die Koreaner ihre Spielzeuge intakt haben wollen, wir dürften also vor Artilleriefeuer sicher sein. Alle Mann verschanzen, wir denken uns bei Gelegenheit einen Weg aus, die Bomben rauszuschaffen.«
Die Koreaner griffen fünf Minuten später an. Mangels natürlicher Deckungen hatten sie ein halbes Dutzend ältere, oben offene BTRs organisiert, die das Gebäude halbkreisförmig umstellt hatten und die Fenster und Türen unter Sperrfeuer nahmen. Die Sonatas, Heyl, Freedman und Maverick hatten sich im Gebäude verschanzt und lieferten symbolischen Widerstand, während Creshal nach einer anderen Lösung suchte.
Mitch wurde unterdessen langsam unruhig. Nachdem er die Gefangenen auf Heyls Rat hin betäubt hatte, spähte er durch die Sichtluken und beobachtete, wie die Koreaner das Restaurant unter Sperrfeuer nahmen. Er atmete tief durch, startete den Motor und gab Vollgas.
Creshal hatte in der Zwischenzeit eine Dachluke gefunden, die groß genug war, um einen Menschen durchzulassen. Mangels Alternativen kroch er durch und legte sich flach aufs Dach. Deckung hatte er hier oben keine - aber die Koreaner in den offenen Radpanzern auch nicht. Er entsicherte die Dragunow und legte auf den Fahrer des mittleren Panzers an. Dessen Gesicht war vor Anstrengung verzerrt, als er das Magazin seines Maschinengewehrs auswechselte. Auf die Entfernung konnte Creshal durch das Zielfernrohr beinahe die Barthaare des Opfers zählen. Creshal beobachtete einige Sekunden lang den Koreaner, um ein Gefühl für dessen Bewegungsrhythmus zu bekommen, und schoss ihm dann genau zwischen die Augen. Die anderen Insassen duckten sich sofort und schossen ungezielt in Richtung des Dachs. Creshal gab noch vier weitere Schüsse ab, mit denen er drei Schützen tötete und die Lenkung des BTRs zerstörte, dann kroch er hastig zurück. Das war's, mehr Chancen würde er hier nicht haben.
Mitch hatte Betty inzwischen auf Höchstgeschwindigkeit gebracht und das Lenkrad festgebunden, während er im Sitz des Turmschützen saß und die rasch näherkommenden BTRs beobachtete. Betty war so gezielt, dass sie den mittleren BTR am Heck rammen würde – so, dass die Munition in Betty mit dem Treibstofftank des BTRs kollidieren würde. Ein hübsches Feuerwerk. Er vergewisserte sich nochmals, dass der Kurs stimmte, dann schnappte er sich sein M249 und stieg in die Luke.
Die Koreaner wurden vollkommen überrascht, als auf einmal ein BTR an ihnen vorbeiraste. Noch überraschter waren sie, als ein Amerikaner raussprang, zwischen ihnen landete und sich wild feuernd um sich drehte, während sein BTR mit dem liegengebliebenen Führungswagen kollidierte und beide detonierten.
Nach einigen Sekunden war der BTR gesäubert, und Mitch fuhr ihn quer vor die Wand des Restaurants, um dem Squad zusätzliche Deckung zu geben. Innen versammelte sich der Trupp für eine kurze Lagebesprechung. Freedman spähte durch ein halb verdecktes Fenster am BTR vorbei auf den Belagerungsring. »Na schön, zwei feindliche BTRs sind ausgeschaltet, fehlen allerdings noch vier – und uns fehlen noch zehn Minuten. Und die Koreaner können jederzeit Verstärkung herholen. Vorschläge?« Patrick hob die Hand. »Finden wird uns der Rettungstrupp auf jeden Fall, wir müssen nur dafür sorgen, dass sie nicht mit schweren Waffen ankommen, die den Helikoptern gefährlich werden können.«
Zehn Sekunden später schlug die erste Granate ein. De Koreaner hatten eingesehen, dass sie nur mit leichten Waffen so schnell nichts erreichen würden, und über kurz oder lang würden die US-Truppen eintreffen. Folgerichtig hatten sie mehrere T-72 herangeholt und zerschossen das Gebäude systematisch.
Freedman duckte sich, als neben ihm die Wand einstürzte und sprang weg. »Shit! Na schön, sie wollen es nicht anders. Creshal, funk die Bastarde an und droh damit, die Bomben hochgehen zu lassen, wenn sie nicht sofort das Feuer einstellen.« – »Du weißt, dass wir die Bomben ohne Code nicht detonieren können?« – »Ich will wissen, ob sie es wissen. Und ob sie wissen, dass wir die Codes nicht haben.« Creshal schaltete das Funkgerät ein und wiederholte Freedmans Drohung einige Male, bis der Beschuss eingestellt wurde. »Der Kommandeur der Panzertruppe hat sich gemeldet. Er glaubt uns kein Wort, bietet uns aber großzügigerweise an, unser Leben und vielleicht auch die meisten unserer Körperteile zu verschonen, wenn wir uns ergeben und den Bomben nichts passiert ist.« – »Sag ihm, dass wir nicht bluffen. Wir haben die Codes zusammen mit dem Lagerort vom CIA erhalten.«
Der Kommandeur antwortete, indem er das Feuer wieder eröffnete.
Luftraum über Kaesong, 14:25 Ortszeit
Mike Floyd rückte die Atemmaske zurecht und spähte aus dem Cockpit in Richtung Boden. »Jigsaw zwei an Basis. Erreiche Zielgebiet.« – »Basis an Jigsaw: Bestätigt. Satellitenbilder zeigen Panzerformation nahe Zielgebiet, Peilung 114$^\circ$, 750 Meter. Ausschalten.« – »Verstanden.« Floyd drückte seine A-10 Thunderbolt tiefer und ließ die Gatling warmlaufen. Im Tiefflug steuerte er den Park an, die Panzerformation auf dem Display markiert.
Das Squad hatte sich gerade in die rückwärtigen Räume zurückgezogen, als plötzlich Freedmans Funkgerät anging. »Hat jemand einen Exterminator gerufen?«, fragte Floyd, und betätigte den Abzug der Gatling. Die Panzer wurden von der großkalibrigen Uranmunition förmlich zersägt, und der brennende Uranstaub in der Luft detonierte die Munitions- und Treibstofftanks. Die wenigen Überlebenden bekamen den selben Uranstaub in die Lungen, wo er sich fröhlich strahlend festsetzte und den Körper langsam vergiftete.
Floyd drehte noch eine Runde, um sicherzugehen, dass alle Panzer ausgeschaltet waren, dann drehte er ab und flog zurück. »Helikopter sind in zwei Minuten da, macht euch fertig.«
Munsan, Besprechungsraum 3-A, 21 Uhr Ortszeit
Voigt las sich den Abschlussbericht durch und nickte. »Nun ja, nicht schlecht. Wir haben die Atomwaffen analysiert, sie sind zweifelsfrei russischen Ursprungs, die Politik ist sich aber noch nicht sicher, was wir damit machen. Putin zu reizen dürfte zum jetzigen Zeitpunkt ungesund sein, nachdem wir schon wieder in einem kalten Krieg stecken. Aber das soll nicht ihre Sorge sein. Sie werden der zweiten Infantriebrigade zugeteilt und nehmen vorerst an deren weiteren Operationen teil. Wegtreten!«