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Jahrhunderte lang quälte sich die Menschheit mit philosophischen Fragen, auf die es keine richtigen und keine falschen Antworten gab, wie die Frage nach dem Sein oder was das Gute und das Böse darstellte. Welche Rolle sie darin einnehmen, bestimmten selten sie selbst, sondern zu Meist äußere Umstände.
Hitler sah sich selbst sicher nicht als bösen Menschen, genauso wenig wie Ghandi sich als der Heilsbringer sah, zu dem man ihn später hochstilisiert hatte. Möglicherweise schlummerte das Böse in Ghandi nur, während in Hitler das Gute schlummerte?
Philosophische Fragen sind anscheinend nur mit Philosophie zu beantworten. Doch was ist Philosophie? „ Liebe zur Weisheit“, übersetzt man es aus dem Griechischen. Doch was ist weise? Wer ist weise? Wann kann man sich weise nennen? Hat sich je selbst jemand weise genannt, der von der Nachwelt so angesehen wurde?
Sokrates, der vom Orakel Pythia als der Weiseste auf dem Erdenrund angesehen wurde, weil er eben zugab, dass auch er im Endeffekt nichts weiß, und viele Andere solchen Schlages rätselten Zeit ihres Lebens, ohne auch nur ein Gramm weiser zu werden.
Sie widerlegten sich redegewaltig und in hunderten Seiten des Geschwafels immer wieder selbst, doch die entscheidenden Fragen blieb unentschieden: Was ist Gut und Böse und warum sind wir hier?
Zumindest auf eine kann man eine pragmatische Antwort geben: Die Nachwelt und die Geschichte mit ihrem Moralkodex bestimmen, wen sie als Gut und als Böse ansehen und prägen damit ihre Umwelt. Die Umwelt bestimmt zum großen Teil, was man ist, denn man ist nur ein Teil ihrer. Menschen beurteilen immer wieder andere Menschen und teilen dabei ihre Umwelt in Gut und Böse auf.
Unglücklicherweise beschäftigte sich die Menschheit nicht nur damit, sondern auch an ihrer technischen Fortentwicklung. Die Sterne waren das Ziel allen Strebens, gülden wie sie am Himmel prangen und ihr Licht auf diesen Felsbrocken voller Philosophen, aber weniger Weiser, warfen.
Als sich Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts die selbst geschaffenen Probleme immer weiter verschärften und Kriege um Rohstoffe, Ackerflächen und Wasser wie ein Lauffeuer um die Erde griffen und jegliche Zivilisation in Brand setzten, mit der sie in Kontakt kamen, sahen die Verzweifelten keine Möglichkeit mehr für einen Weg in eine friedvolle Zukunft mit dem derzeitigen System und putschten gegen ihre Regierungen, die glaubten, mit ihren Aktionen dem Wohle des Volkes zu dienen.
Doch wie bei so mancher Revolution besserte sich nichts. Schnell bildete sich aus dem Lager der Putschisten eine neue Machtelite, die die Welt unter sich aufteilte. Mehrere kontinentale Machtblöcke bildeten sich auf der Erde, deren Einwohnerzahl auf unter vier Milliarden gesunken war. Doch man hatte aus den alten Kriegen gelernt, dass es auf dieser Erde nichts mehr zu gewinnen gab und so wandte man sich wieder dem alten – neuen – Ziel zu. Gegen Anfang des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts zeigten sich die ersten Früchte des erneut in Gang gesetzten Weltraumrennens. Mit Ressourcen aus lunaren Minen und Abbaustationen entstanden die ersten wirklich großen Kolonisationsschlachtschiffe.
Eilig brachen diese Schiffe in die äußeren Regionen des Sonnensystems und zum Mars auf, angetrieben von kleineren Fusionsreaktoren und gigantischen Sonnensegeln, um die gigantischen Strommengen für die Ionenstrahltriebwerke bereitzustellen. Begleitet von vielen kleineren Schlachtschiffen, Fregatten, Kreuzern und tausenden Jägern entfernte man sich von der Erde, die ein paar Monate danach immer weiter in Anarchie zurückfiel, als jedwede staatliche Organisation Aufständen, ausgelöst durch die Hungersnöte und Verwüstungen, die die seit hundert Jahren ungebremst wirkende Klimaerwärmung mit sich brachte, zum Opfer fiel.
Währenddessen trugen die 12 Millionen Siedler auf vier Hauptschiffen und hunderten Begleitschiffen den Krieg in das Weltall, wo er in einer Brutalität, die zuvor nicht gekannt worden war, ausgefochten wurde. Sie kämpften um die besten Siedlungsplätze auf dem Mars, um die Ressourcen mancher Planetoiden, um die Wasservorkommen der Eismonde des Jupiters und manchmal kämpften sie einfach nur aus Prinzip, denn der Feind war ja das Böse.
Die Zeiten änderten sich nicht, nur die Keulen wurden größer.
So ging es bis 2115 - die Menschheit spielte inzwischen immer noch Krieg der Sterne – als ein automatisches Aufklärungsschiff der Annuakiden die Menschen und ihre Kriege im Sonnensystem ausmachte.
Sobald diese Nachrichten einer aggressiven Spezies in deren Volk bekannt wurden, verbreitete sich dort die Angst vor der Menschheit aus, obwohl die Annuakiden technisch Jahrhunderte voraus waren. Denn im Weltall durfte es keine kriegerischen Spezies geben.
Rein statistisch vernichtete sich der Großteil dieser Arten in 99,9% der Fälle auf ihrem Planeten selbst, sobald sie ein gewisses technologisches Level erreicht hatten. Doch nicht so diese Spezies. Doch Forschungsschiff hatte nicht nur trockene Daten gebracht, sondern auch mehrere lebendige Exemplare dieser Spezies. Es zeigte sich, dass sie sich genetisch soweit modifiziert hatten, um selbst unter schwierigsten Bedingungen zu überleben. Noch nie war man auf eine Zivilisation gestoßen, die sich selbst in so kurzer Zeit so verändert hatte. Die Hoffnung, sie könnten sich doch noch selbst töten, wurde durch diese Entdeckung ihrer hohen Resistenz, ihrer ausgezeichneten Anpassungsfähigkeit und noch einigen anderen Tatsachen, wie diejenige, dass sie nun zu viele Orte in ihrem System bewohnten, um sich gänzlich zu terminieren, zunichte gemacht.
Aus der anfänglichen Angst entwuchs Panik. Diese Art würde sich nicht selbst vernichten, sondern sich vermehren und ihre Aggression würde sich wie ein Virus im so friedfertigen Weltall verbreiten. Ihre Technologie würde sich angesichts des Wettkampfes im Kriege rasend schnell entwickeln, sodass die Entdeckung des Hyperraumantriebs nicht mehr lange dauern würde.
Das Böse würde sich ausbreiten und die Welten der friedfertigen Völker mit Krieg in Brand stecken. Somit musste eine Lösung her.
Die Annuakiden hätten durchaus ihre Technologie benutzen können, um eine Waffe zu erschaffen, die dieses Sonnensystem hätte zerstören können, doch das entsprach nicht ihrem Naturell.
So entschied man sich anders.
Aus den neuralen Verbindungen, mit denen die eingefangen Menschen an eines ihrer Schiffe gekoppelt worden waren, erfuhren sie, dass der Heimatplanet dieser Spezies sich unaufhaltsam zur Wüste wandelte, die bald unbewohnbar sein würde.
Doch unaufhaltsam war dies nur für diese Spezies, nicht jedoch für die Annuakiden. So schickte man Schiffe in dieses System, beladen mit der Technologie, die nötig war, um diesen Planeten zu heilen.
Große Verwunderung ging durch die Reihen der großen Weltraumstaaten der Menschheit, als diese silbergrauen länglichen Schiffe, ausgestaltet in schönen, ovalen Formen das System erreichten.
Diese Schiffe begannen die Aufforderung zu senden, die Menschen sollten sich bei ihnen sammeln, um zu ihrer Heimaltwelt zurückzukehren. Die stellaren Nationen jedoch glaubten jeweils an eine Finte ihres Gegners und schickten ihre Flotte, die ausnahmsweise nur wenige Tage brauchten, um die Schiffe der Annunakiden zu erreichen, weil diese sich sehr nahe an ihren jeweiligen Hauptschiffen und Kolonien platziert hatten.
Kaum waren sie an diesen Positionen angelangt, begannen sie mit hüllenbrechenden Railgungeschossen und Laserkanonen die Botenschiffe zu beschießen.
Die Furcht der Annuakiden hatte sich bewahrheitet, sie reagierten sogar auf die bloße Kontaktaufnahme aggressiv.
Die Waffen der Menschheit richteten jedoch keinen Schaden an den silbergrauen Schiffen an, sondern sie prallten an einem energetischen Schild, den das Schiff trug, ab. Gedacht war er ursprünglich als Schutz vor der Strahlung des Weltalls und vor Mikrometeoriten, doch man hatte sie in den Werften verbessert, um vor den Aggressionen der Menschen gewappnet zu sein.
Nach einiger Zeit des Beschusses erkannten die verfeindeten Menschengruppen, dass sie keinerlei Schaden anrichteten und stellten das Feuer ein. Auf beinahe jedem Schiff war das Erstaunen groß, als die Annuakiden sich zum ersten Mal visuell zeigten und ihre Motive darlegten, dass sie den Menschen helfen wollten auf ihre Heimatwelt zurückzukehren und sie wieder urbar zu machen. Dass Misstrauen war zu Beginn groß, doch legte es sich, als die Kolonien sich untereinander austauschten und sie alle erfuhren, dass man ihnen allen das Gleiche versprochen hatte.
Schlussendlich überwog die Sehnsucht nach der alten Heimat und einem Leben in Frieden alles menschliche Misstrauen und die Annunakiden hatten ihr Ziel erreicht, die Menschen vom Weltall fernzuhalten und auf einem lokalen Punkt im All zu konzentrieren, wo sie die Möglichkeit besaßen, ihre Ausbreitung einzuschränken und ihr aggressives Potenzial zu kontrollieren.
Das Böse zu kontrollieren.
Sie sahen es als fairen Tausch, den Jids – so nannten sie die Menschen ihrer Sprache, es bedeutet ungefähr „ die, die Feuer bringen“ – Frieden und sich selbst Sicherheit zu bringen.
In einigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten schleichender genetischer Manipulation sollte es möglich sein, auch dieses Potenzial noch zu entfernen, sodass der Menschheit ein Platz im All zugewiesen werden konnte, so glaubten sie. Gelänge es nicht, würde man sie zumindest auf diesem einem Felsbrocken binden können.
Bald darauf wurden noch größere Transportschiffe, die wie ein Gerippe eines Wales aussahen, in das Solsystem gebracht. Dort sammelten sich die Flotten der Menschen, um anzudocken und einen Hyperraumsprung zur Erde durchzuführen, denn der Flug mit konventionellen Antrieben hätte Jahre gedauert. Sobald sie die Erde erreicht hatten, wurden die Schiffe der Jids demontiert und zu Behausungen und Gerätschaften umgewandelt, die man auf der wieder begrünten Erde brauchte.
Auf der Erde selbst fanden die Annuakiden nur noch wenige Hundertmillionen Menschen vor, ehe sie ihren Restaurationsprozess in Gang setzten.
Nach für nach verschwand der Mensch wieder aus dem Weltraum und siedelte sich auf der neuen Erde an, auf der bisweilen beinahe Zustände wie im Garten Eden herrschten. Die Annuakiden sorgten dafür, dass es allen gleich gut ging und erstickten jeden Streit zwischen den Jids im Keim, indem sie beide Seiten gleichermaßen zufrieden stellten. Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit musste niemand mehr hungern, jeder hatte einen Arbeitsplatz, sofern er denn einen wollte, es gab medizinische Versorgung für jeden und es herrschte zum allerersten Mal überhaupt Frieden, und das überall.
Doch dies ist die Geschichte des Schlachtschiffes Credon und nicht die, derer, die im neuen Eden lebten.
Captain Zak Dyrr, der der Oberbefehlshaber dieses Schiffes war, wollte sich nicht damit abfinden, dass die Annuakiden die Heilsbringer waren, als die sie sich ausgaben und vor allem wollte er sein Schiff nicht demontieren lassen, nein, er verfolgte andere Pläne.
Es bestürzte ihn, mit welcher Leichtgläubigkeit die Menschheit diesen Kreaturen folgte. Die Menschheit hatte sich für Jahrtausende selbst untereinander bekämpft, um neue Reiche, neue Lebensräume zu erschließen. Warum sollten sich diese Wesen so sehr von ihnen unterscheiden? Wo stand es geschrieben, dass die Heilsbringer aus dem All nur Gutes verfolgten? Vertrieben sie nicht eher die Menschheit aus dem All und pferchten sie unter ihrer Kontrolle auf der Erde wie Tiere ein, die in einem luxuriösen Stall gehalten wurden?
Er wollte sich nicht seine Freiheit nehmen lassen für einen aufgezwungenen Frieden. Und er wollte für diejenigen kämpfen, die so dachten wie er, doch keine Fähigkeit oder Möglichkeit hatten, ihre Gedanken in die Tat umzusetzen.
„ Der 22. September des Jahres 2116. Der Rückzug der Northstarallianz aus den Weiten des Alls ist beinahe abgeschlossen, 97% unserer Bevölkerung wurden zur Erde überführt. Die meisten Kriegs -, Fracht – und Minenschiffe wurden demontiert und werden nun als Wohnanlagen verwendet. Eines der letzten Schiffe, das mit den Rippenschiffen, wie wir hier an Bord die Annuakiden - Transportsschiffe nennen, zur Erde reisen wird, ist die Credon. Irgendwie wie traurig, wie ich finde, vor allem weil ich es als falsch empfinde, den Weltraum zu verlassen, auch wenn wir dafür die Möglichkeit erhalten zur Erde zurückzukehren. Wenn ich so zurückdenke, habe ich wohl mehr Jahre mit gehärtetem Stahl und Kohlenstoff unter meinen Füßen als sandiger Erde oder Eis darunter verbracht. Dieses Schiff empfinde ich als die Heimat, die ich zuvor niemals wirklich hatte.
[…]
Heute Morgen haben wir unseren wohl letzten Befehl von der Northstarallianz erhalten. Wir sollen uns an den angegebenen Koordinaten mit einem der Transportschiffe treffen. Ich habe den Kurs setzen lassen. Es ist die letzte Mission der Credon.“
So schrieb er einige Tage zuvor in das persönliche Logbuch des Kapitäns, während sich sein Schiff auf die mehrtägige Reise zu den angegebenen Koordinaten machte.
Während dieser Fahrt ging er tief in sich und dachte über vielerlei Ereignisse nach. Seine beinahe angeborene Vorsicht gegen alles Fremde ließ ihm während dieser Zeit einfach keine Ruhe, und so ging er nochmals alle Nachrichten und Darlegungen der Beweggründe der Annuakiden durch. Und obwohl er bei den ersten Durchgängen nichts Bedrohliches oder gar eine Lüge ausmachte, blieb sein Gefühl.
Und während eines luziden Traumes, den er zwei Tage vor der Ankunft durchlebte, floss die Erkenntnis plötzlich klar und glänzend vor seinem geistigen Auge vorüber.
Was die Annuaki da trieben, war eine Umsiedlung, getrieben durch erweckte Sehnsüchte und viel Propaganda. Sie wollten die Menschen aus dem Weltall treiben, wahrscheinlich um ihre eigene Macht, die sie zu Beginn so eindrucksvoll zur Schau gestellt hatten, zu schützen. Sie waren Unterdrücker, die nicht mit der Peitsche eingriffen, sondern geschickt die menschliche Psyche manipulierten.
Sie waren nicht das Gute, sie waren das Böse!
So entschied sich Captain Dyrr seinen letzten Befehl nicht zu befolgen und gegen diese Unterdrücker zu kämpfen.
Zwei Schwierigkeiten stellten sich ihm jedoch dabei. Einerseits gab es seine Mannschaft von fünfhundert Mann und andererseits gab es das Problem mit der technischen Überlegenheit des neuen Feindes.
Seine Crew konnte er in einer emotionalen Rede auf sich einschwören, in der er das bisherige Bild der Annuakiden widerlegte und sie umformte zu den totalitären Herrschern, die die Menschheit kontrollieren wollten, so wie er sie sah. Argumente und Beweise aus der vergangenen Kommunikation zwischen Menschheit und Annuakiden benutzte er zur Überzeugung der Seinigen, wenn er auch einige Textstellen wissentlich abänderte, so dass sie in sein Bild passten und ihren Effekt, Stimmung gegen die Annuakiden zu erzeugen, wesentlich besser erzielten.
Da Problem Numero Uno nun gelöst worden war, machte er sich an das nächste. Er konnte aus seiner langen Erfahrung als Captain der Flotte schöpfen, in der er schon mit den unterschiedlichsten Problemen konfrontiert war und so blieb ihm die Lösung des Schildproblems ebenfalls nicht lange fern.
Anstatt seinem Befehl zu folgen und sich zum Treffpunkt zu begeben, täuschte er einen Antriebsschaden vor und sandte ein fortwährendes Notsignal, das von einem Shuttleschiff der Annuakiden aufgefangen wurde. Diese Schiffe standen stets als schnelle Hilfskräfte zur Verfügung, wenn man sie brauchte, und erreichten fast die Größe eines üblichen terranischen Kreuzers.
Als man ihnen von dem angeblichen Triebwerksschaden berichtet hatte, der von außen nicht zu beheben sei und man medizinische und technische Hilfe angefordert hatte, begann das Schiff der Annuakiden mit der Andockprozedur, um ihr Personal herüber zu schicken.
Captain Dyrr hatte sich mit einigen dutzend Männern an der Schleuse postiert, um sie gebührend in Empfang zu nehmen. Sie waren allesamt unbewaffnet, die Annuakiden duldeten keine solchen in ihrer Nähe, doch das würde sie nicht im Geringsten hindern.
Der Andockvorgang war abgeschlossen, der Schott öffnete sich.
Greetz, DeiNaGoN